Späte Vaterfreuden

Augen kann man nicht kaufen, heißt ein Buch über Wim Wenders, doch leider gilt das Gleiche auch für das Handwerk eines Filmemachers. So unbestechlich der Wender’sche Blick Zeit seiner Karriere gewesen ist, manches Mal hätte man ihm gerne ein feineres Gespür für Situationen, Dialoge und Schauspieler geschenkt. Auch in seinem neuesten Film »Don’t Come Knocking« ist man hin- und hergerissen zwischen Wenders atemberaubender Wiedereroberung der amerikanischen Landschaft und seinem eher glücklos inszenierten Vater-Sohn-Konflikt.

Alternder Cowboydarsteller als Wenders-Held

Mit dem alternden Cowboydarsteller Howard Spence (Sam Shepard) kehrt der typische Wenders-Held an seinen Ursprungsort zurück – allerdings nur um der klassischen Westernikonografie gleich wieder den Rücken zu kehren. In voller Schauspielmontur flieht Spence vom Filmset, tauscht Pferd und Sattel gegen einen Mietwagen ein und taucht, nachdem ihm zunächst ein Kongress liebestoller Maniküren Unterschlupf gewährte, bei seiner Mutter unter. Nach einer durchzechten Nacht erfährt er schließlich, dass er einen erwachsenen Sohn hat und macht sich auf, an bessere Zeiten anzuknüpfen.

Melancholischer American Way of Life

Eine Art Rückkehr in die Vergangenheit ist »Don’t Come Knocking« auch für das Gespann Wim Wenders und Sam Shepard, die gemeinsam vor zwei Jahrzehnten »Paris, Texas« ihren melancholisch gefärbten American Way of Life aus der Taufe hoben. Wie damals geht es um einen Aufbruch aus den Trümmern des alten Westernmythos’ und um die Zusammenführung einer Familie, die es zuvor nur in der Möglichkeitsform gegeben hat. Zwar muss sich Spence von seiner ehemaligen Geliebten als armseliger Feigling beschimpfen lassen, und sein Sohn wirft ihm vor Wut seinen gesamten Hausrat vor die Füße. Doch eine himmlische Fügung lässt Spences zweites uneheliches Kind aus der Versenkung steigen, eine Tochter mit dem beziehungsreichen Namen Sky, und eröffnet die Aussicht auf Versöhnung.

Amerikanische Weite als Versprechen

Es hat mitunter etwas Anrüchiges, wie sich Sam Shepard hier eine Midlife-Crisis auf den Leib geschrieben hat, die den luxuriösen Schlamassel eines von Ruhm, Sex und Alkohol geprägten Lebens rekapituliert. Allerdings wäre »Don’t Come Knocking« kein Wenders-Film, wenn die Figuren nicht immer wieder in Momenten elegischer Schönheit von ihrer Sinnsuche ausruhen würden. Die amerikanische Weite ist für Wenders (und für sein Publikum) noch immer ein Versprechen – auch wenn es nicht mehr in Felsformationen und Wüstenpanoramen zu finden ist, sondern in den Kulissen einer wie von Edward Hopper gemalten Kleinstadt.

Don’t Come Knocking (dto) D 05, R: Wim Wenders, D: Sam Shepard, Jessica Lange, Tim Roth, 125 Min. Start: 25.8.