Foto: Manfred Wegener

Umstrittenes Konzept

Im Sommer 2000 führte ein »Beratungskonzept für Flüchtlinge« im Kölner Stadtrat zu einem Eklat. Der damals abgelehnte Wechsel zu einer restriktiven Flüchtlingspolitik wird jetzt zielstrebig in die Tat umgesetzt.

Ein Bericht über Sammelunterkünfte auf verseuchtem Boden und die Wiederbelebung alter Konzepte mit neuen Mehrheiten.

Lange Zeit galt die Kölner Flüchtlingspolitik im Vergleich zu der anderer nordrheinwestfälischer Kommunen als liberal. Doch es gibt gute Gründe, die Auffassung vom »flüchtlingsfreundlichen« Köln gehörig zu korrigieren. Den wohl offensichtlichsten Anlass lieferte Ende September Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), als er die Umquartierung von rund 300 Bürgerkriegsflüchtlingen auf das Gelände der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk (CFK) beschloss. Der Hintergrund: Untersuchungen im Bereich der Passendale-Kaserne in Porz-Westhoven, wo die Flüchtlinge bislang untergebracht sind, hatten ergeben, dass wegen des maroden Kanalisationssystems der Kaserne das Grundwasser gefährdet ist.
Eine schnelle Reaktion war durchaus angebracht – doch macht es den Anschein, dass die Stadt eine drastische Verschlechterung der Lebenssituation der Flüchtlinge billigend in Kauf nimmt und die Gelegenheit dazu nutzt, eine gezielte Abschreckungspolitik zu betreiben: Massenunterkunft mit Sammelverpflegung in einem Containerlager auf einem Areal, das als hochgradig kontaminiert gilt.

Kasernierung und Massenunterkünfte

Die Weichenstellung für die restriktive Flüchtlingspolitik erfolgte am 6. September. Mit den Stimmen von CDU und FDP beschloss der Sozialausschuss, das bisherige dezentrale Unterbringungskonzept zu Gunsten von Kasernierungen in Massenunterkünften aufzugeben. Als Reaktion auf die Maßnahme kündigte der Rom e. V. bereits eine Beschwerde beim Regierungspräsidenten an. Auf Grund der gesundheitlichen Risiken für die Flüchtlinge will der Verein gegebenenfalls auch rechtliche Schritte gegen die Umsiedlung auf das verseuchte Gelände einleiten.
Die Stadt will außerdem die weit unter dem Sozialhilfeniveau liegenden Leistungssätze für Flüchtlinge von Geld- auf Sachleistungen, z.B. drei Mal täglich vorgekochte Einheitskost, umstellen. Diese Umstellung lehnen sowohl die Ratsfraktionen von SPD, den Grünen und der PDS als auch die mit der Betreuung von Flüchtlingen befassten Organisationen grundsätzlich ab. »Menschen langfristig mit fertig gekochter Massenspeise oder Lebensmittelpaketen abzufüttern, ist unwürdig. Selbst die tägliche Nahrungszubereitung – für viele auf Grund der Arbeitsbeschränkungen die bisher einzige selbstbestimmte Beschäftigung – soll ausgeschlossen werden«, heißt es in einer Presseerklärung des Kölner Flüchtlingsrats.
Zusätzlich stellt sich die Frage, warum die sonst so auf Sparmaßnahmen erpichte Stadt auf Sachleistungen umstellen will, da sich die Kosten dadurch deutlich erhöhen. Für eine Familie mit zwei Kindern von sechs und neun Jahren sind beispielsweise rund 2.400 Mark monatlich zu veranschlagen; würde weiterhin Geld ausgezahlt, wäre es nur halb so viel. Weitere Kosten verursachen im übrigen die wie auch immer zu bewerkstelligende Beseitigung oder Versiegelung des schadstoffbelasteten Bodens sowie die Anmietung des Containerlagers: über 2,6 Millionen Mark in den ersten sechs Monaten und jeweils 190.000 DM pro weiterem Monat.

Beratungskonzept für unerlaubt eingereiste Personen

Eine grundlegende Änderung in der Kölner Flüchtlingspolitik deutete bereits das am 8. August verabschiedete »Beratungs- und Hilfsangebot für unerlaubt eingereiste Personen« an – die Neuauflage eines Konzepts, das bereits im letzten Jahr zu einem Eklat in Rat und Stadtverwaltung führte: Im Sommerloch 2000 gelangte ein »internes Arbeitspapier« der Verwaltung an die Öffentlichkeit. In teilweise diffamierender Sprache (Flüchtlinge, die sich schon länger in Köln aufhalten, hießen hier »Altlasten«) und mit unschönen Rechenbeispielen wurden dort Empfehlungen ausgesprochen, wie Leistungen für Flüchtlinge einzusparen sind. Dass dieses »Konzept« bei den zuständigen Behörden bereits Anwendung fand – ohne dass der Rat darüber informiert worden war –, sorgte bei Flüchtlingsorganisationen und den Fraktionen von SPD, Grünen und PDS gleichermaßen für Empörung.
Der damalige Alleingang der Verwaltung richtete sich gegen Flüchtlinge, die den Status einer Duldung, eine Aussetzung der Abschiebung, die solange besteht, wie Abschiebehindernisse vorliegen, geltend machen. Unter der Androhung, dass ihnen städtische Leistungen vorenthalten bleiben, sollten sie in ausweglose Asylverfahren gedrängt werden. So wollte man jährlich rund 42 Millionen Mark einsparen: für Flüchtlinge im Asylverfahren müssen Bund und Land aufkommen, diejenigen mit Duldungsanspruch hingegen von den Kommunen unterstützt werden. In Köln leben momentan etwa 3.700 Flüchtlinge, die ohne gültige Aufenthaltspapiere nach Deutschland eingereist sind und eine Duldung besitzen. Die meisten von ihnen sind Roma, die aus den Ländern des Balkans stammen.
Das neue »Beratungs- und Hilfsangebot« sieht zwar im Vergleich zu seinem Vorläufer eine Beteiligung des Flüchtlingsrats bei der Beratung vor. Doch trotz dieser verbrieften Transparenz bleibt dessen Geschäftsführer Claus Ulrich Prölß grundsätzlich skeptisch, möchte aber für eine Bewertung zunächst die praktische Umsetzung abwarten. Dagegen kritisiert der Rom e.V. das Konzept aufs Schärfste, und sieht dessen Ziele weiterhin darin, möglichst viele Personen mit einem Anspruch auf Duldung dazu zu bewegen, einen Asylantrag zu stellen.

Sparmaßnahmen im Vordergrund

Die Fraktion der Grünen hat das Konzept zusammen mit OB Fritz Schramma per Dringlichkeitsentscheidung verabschiedet. Die Grünen sprachen sich zwar deutlich gegen Sammelunterkünfte und -verpflegung aus, sind aber in Bezug auf das neue Beratungskonzept der Meinung, dass die Situation der in Köln ankommenden Flüchtlinge so verbessert werde. Geplant ist eine Arbeitsgruppe aus Amt für Wohnungswesen, Sozialamt und Ausländerbehörde, die für eine ergebnissoffene Beratung von Flüchtlingen mit Anspruch auf Duldung zuständig ist. Die Beratung durch den Flüchtlingsrat soll im selben Haus stattfinden, wobei dessen VertreterInnen »mit Zustimmung der Betroffenen auch bei Gesprächen mit MitarbeiterInnen der Arbeitsgruppe anwesend« sein können.
Dass es der CDU und FDP im Rat jedoch hauptsächlich um die Einsparung von Ausgaben für Flüchtlinge mit Duldungsstatus geht, macht eine gemeinsame Erklärung zur »Unterbringung illegal eingereister Personen« vom 20. August deutlich: »Mit 3.700 sich illegal aufhaltenden Ausländern belegt Köln den Spitzenplatz unter allen Städten in Nordrhein-Westfalen. [...] Vorrangige Aufgabe von Verwaltung und Politik ist es daher, unter Beachtung der geltenden Rechtslage die Zahl der sich unerlaubt aufhaltenden Personen deutlich zu reduzieren.«
Ob und inwieweit diese offen ausgesprochene Zielsetzung Einfluss auf die Umsetzung des neuen Beratungskonzepts nimmt, kann derzeit noch nicht überprüft werden: Der Stichtag 1. Oktober ist um einen Monat verschoben worden, u.a. weil die Baumaßnahmen für die zentrale Flüchtlingsanlaufstelle in der Vorgebirgsstraße noch nicht abgeschlossen sind. Bis dahin lässt sich schwerlich überprüfen, ob die ohne Aufenthaltsgenehmigung eingereisten Menschen zu ihrem Vorteil beraten werden oder nicht. M


Der Rom e.V. organisiert eine Demonstration gegen Sammelunterkünfte und das neue Flüchtlingskonzept.
Termin: 25.10., 13 Uhr, Domplatte