Die Sache stinkt zum Himmel

Der Neubau der Messehallen steht unter Klüngel-Verdacht.

 

Oberbürgermeister Fritz Schramma hatte eigentlich andere Sorgen. Aber ausgerechnet in der heißen Vorbereitungsphase auf den Weltjugendtag sendete der WDR die Dokumentation »Das Milliarden-Monopoly«. Acht Monate waren die Journalisten Georg Wellmann und Ingolf Gritschneider der Frage nachgegangen, weshalb bei vielen Großprojekten in der Stadt immer die selben Leute gute Geschäfte machen, so etwa bei der Köln-Arena und nun bei der Messe. Ohne Ausschreibung, so der Vorwurf, habe die Stadtverwaltung eine Investition in Höhe von schätzungsweise 260 Millionen an die Oppenheim-Esch-Holding vergeben. Experten für Vergaberecht wie der Düsseldorfer Anwalt Jan Byok und der Bund der Steuerzahler (BdSt) halten den Verzicht auf einen europaweiten Wettbewerb für äußerst fragwürdig. Die öffentliche Hand habe bei öffentlichen Beschaffungen eigentlich »Schwellenwerte zu beachten«, wunderte sich der BdSt-Experte für öffentliche Haushalte, Eberhard Kanski, über den Kölner Fall.

Stattliche Einnahmen

Die WDR-Journalisten fanden aber noch mehr heraus. Für die spätere Anmietung der Hallen müssen Stadt und Messegesellschaft jährlich 20,7 Millionen Euro an Oppenheim-Esch überweisen und das dreißig Jahre lang, was für den Investor die stattliche Einnahme von über 600 Millionen Euro bedeutet. Freilich unterliegt auch das Messegeschäft konjunkturellen Schwankungen. Niemand weiß, ob die großen Ausstellungen in Köln bleiben werden. Wenn die Messegesellschaft nicht zahlen kann, dann muss die bereits jetzt mit drei Milliarden Euro hoch verschuldete Stadt für die Miete aufkommen. Wie kam so ein riskantes Geschäft ohne die erforderliche Ausschreibung zustande?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Schramma sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass von vornherein der Oppenheim-Esch-Fonds als Investor feststand. Es sei eine »Marktabfrage« erfolgt, widerspricht das Stadtoberhaupt. »Das vorzugswürdigste Angebot war Oppenheim-Esch.« Eine Ausschreibung sei nicht notwendig gewesen. Das habe die Finanz- und Rechtsverwaltung geprüft. Die Bezirksregierung hat dennoch Unterlagen angefordert. Es war eine der letzten Amtshandlungen des ehemaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters (SPD). In Folge des Machtwechsels in NRW wurde dieser durch den CDU-Politiker Hans Peter Lindlar abgelöst. Auf dessen Schreibtisch liegt nun ein Fall, der einen Parteifreund betrifft. Auch die Staatsanwaltschaft hat nach dem Eingang mehrerer Anzeigen Ermittlungen eingeleitet.

Die Bilanz stimmt

Die neue Qualität dieser Klüngel-Affäre besteht darin, dass über die geredet wird, denen schon seit Jahren der Ruf vorauseilt, sie seien Kölns wahre Herrscher: Oppenheim-Esch. Seit 215 Jahren vermehrt Europas größtes privates Geldinstitut, das Bankhaus Sal.Oppenheim jr.&Cie KgaA, das Vermögen seiner Kunden. Und das sind vor allem solche, die Geld haben und Diskretion und Kompetenz der Bank zu schätzen wissen, die den Aufstieg Kölns zu einer Wirtschaftsmetropole maßgeblich mitgestaltet hat. Grund zum Klagen hatte Bankchef Matthias Graf von Krockow in den letzten Jahren nicht. Die Bilanz stimmte.

Der heilige Josef gibt keine Interviews

Branchenkenner machen dafür auch eine besonders enge Beziehung verantwortlich, die Graf von Krockow seit über zehn Jahren pflegt. Als einen »persönlichen Freund« bezeichnet der Banker den Immobilienentwickler Josef Esch aus Troisdorf. In der Bank soll der 48-Jährige als der »heilige Josef« verehrt werden, weil er mit seinen Fonds viel Geld verdient, was letztlich der Oppenheim-Bilanz zu Gute kommt. Viel weiß man ansonsten nicht über den Mann, der sich vom Polier zum Millionär hoch arbeitete. Esch gibt keine Interviews und lässt sich von einem Bodyguard abschirmen. Bei der Oppenheim-Bank will man die laufenden Prüfungen abwarten, was insofern wundert, als dass es sich ein Geldinstitut von dieser Exklusivität eigentlich nicht leisten kann, über Wochen einem Kungel-Verdacht ausgesetzt zu sein.

Renditen von bis zu zehn Prozent

Über siebzig steuersparende Fonds haben Oppenheim und Esch seit 1993 mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro platziert. Wichtige Bauprojekte in der Domstadt waren darunter: Die Köln-Arena und die Einkaufspassage DuMont-Carré. Ist Esch ein »Genie in Sachen steuersparender Geldanlagen« (Manager Magazin) oder verfügt er über so großen Einfluss und Beziehungen, die es ihm möglich machen, seine Produkte gewinnbringend zu verkaufen? Es gibt seit langem viele Gerüchte und Vermutungen, aber auch Auffälligkeiten, die den Klüngel-Verdacht nähren. Vor allem der Bau der Köln-Arena gilt als Lehrstück für eine »kölsche Lösung«. Für die Veranstaltungshalle und das dazu gehörige Technische Rathaus legten Mitte der 90er Jahre 77 Privatleute 900 Millionen Euro in einem Oppenheim-Esch-Fonds an. Sie lockte die Aussicht auf Renditen von bis zu zehn Prozent. Die Stadt mietete sich – wie nun auch wieder bei der Messe – langfristig in das Technische Rathaus ein. Schrammas Vorgänger Harry Blum (CDU) wunderte sich darüber und sprach vom »vermieterfreundlichsten Mietvertrag, den die Stadt abgeschlossen hat.«

Erinnerungslücken bei Ruschmeier

An dessen Zustandekommen war maßgeblich der damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) beteiligt. Doch zur großen Überraschung vieler beendet der ebenfalls aus Troisdorf stammende Kommunalpolitiker seine Karriere im Stadtrat und wechselt als Geschäftsführer zur Oppenheim-Esch-Holding. Die Bezirksregierung prüft zwar den fliegenden Seitenwechsel ohne Beanstandungen, freilich es bleiben Zweifel. Ruschmeiers Name taucht in der Folgezeit bei vielen Klüngel-Affären auf, so auch beim Müllskandal. Doch vor Gericht kann sich der ehemalige Aufsichtsratschef der städtischen Abfallgesellschaft partout an nichts mehr erinnern. Der Richter glaubte ihm zwar nicht. Doch bis zum Beweis des Gegenteils gilt die Unschuldsvermutung.

Warum kein Kommunalkredit?

So wie in vielen anderen Fällen. Man spürt es, dass da eine Sache zum Himmel stinkt, nur die Beweise fehlen. Auch beim Bau der vier neuen Messehallen und dem Kongresszentrum scheint das wieder der Fall zu sein. Warum beantragte die Stadt nicht bei der Bezirksregierung einen Kommunalkredit? Gustav Adolf Schröder, Chef der fusionierten Sparkasse Köln-Bonn, hatte diese Variante empfohlen, als sein Haus um die Abgabe eines Angebots gebeten wurde. Allerdings brachte der öffentlich-rechtliche Banker auch die private Konkurrenz Sal. Oppenheim einschließlich Esch ins Spiel. Es sah fast so aus, als wollte Schramma den Schwarzen Peter Schröder zuschieben, als das Stadtoberhaupt die Entscheidung für Oppenheim-Esch mit dem Hinweis rechtfertigte, der Sparkassenchef habe diesen Vorschlag unterbreitet. »Die kennen wir als monetärmäßig eins a«, verteidigt Schröder die Empfehlung und weist den Verdacht eines abgekarteten Spiels zurück.

Machtlos gegen den Kölner Klüngel

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es nicht andere montärmäßige Eins-a-Adressen in Deutschland gibt? Und wieder gerät man auf das Feld der Vermutung, dass diese Empfehlung vielleicht aus Kalkül erfolgte, weil es hinter den Kulissen längst um noch andere Geschäfte geht, etwa den Umbau der Rheinhallen, die eine Sparkassen-Tochterfirma erworben hat. Der ehemalige Oberbürgermeister Harry Blum beklagte einmal, dass Corpus (ein Ableger der Stadtsparkasse) und Oppenheim-Esch die Stadt zwischen sich aufgeteilt hätten. Blums Beobachtung bestätigt der Heidelberger Projektentwickler Roland Ernst. Mit einer Leasinggesellschaft wollte er die neue RTL-Hauptverwaltung in Köln bauen. Doch sehr schnell habe man gemerkt, dass man keine Chance auf das Geschäft hatte. Ernst zieht aus seinen Erfahrungen die ernüchternde Schlussfolgerung: »Gegen den Kölner Klüngel kann sich niemand durchsetzen.«