Foto: Manfred Wegener

Null Toleranz

Oliver Mohr übt sich in Dementis. Nein, sagt der Sprecher der neuen NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU), man habe das Handbuch zum Umgang mit Homosexualität gar nicht »aus dem Verkehr gezogen«, wie es in der Tagespresse Ende Juli zu lesen war. Man wolle nur einen »unreflektierten Umgang« mit dieser Broschüre verhindern. Deshalb wird sie, so veranlasste die Ministerin Ende Juli, im Unterricht keine Verwendung mehr finden. Grund: Man wolle keine Werbung für bestimmte sexuelle Ausrichtungen machen. Die Broschüre sei aber, so Mohr, wertend und subjektiv. Beispiele für diese These bleibt Mohr trotz Nachfrage schuldig.

Praktische Hilfestellung

Sie sind im Handbuch selbst auch schwerlich auffindbar. Auf 115 Seiten verhandelt es in sachlichem, unaufgeregtem Ton das Thema Homosexualität: Geschichte und Kultur, Gesundheit und psychosoziale Probleme, Szene und Community, Coming-out und Identitäten. Die Broschüre ist randvoll mit Informationen und bietet darüberhinaus den Verantwortlichen in Schule, Jugendarbeit und Beratung praktische Hilfestellung für ihre Arbeit. Seit Frühjahr 2004 wurde sie unter anderem an LehrerInnen verteilt.

Grundlegende Toleranz abgelegt

Entstanden ist die Broschüre im Rahmen des »Aktionsprogramms der EU zur Bekämpfung von Diskriminierungen«. Beteiligt an der Erstellung waren fünf EU-Länder, die Herausgeberschaft hatte das damals noch rot-grüne Sozialministerium in NRW. Das hat – seit die Ära Rüttgers an Rhein und Ruhr angebrochen ist – nicht nur seinen Namen abgelegt (jetzt: Generationenministerium), sondern auch, so scheint es, die grundlegende Toleranz gegenüber anderen als heterosexuellen Lebensformen. Darauf noch ein Dementi von Oliver Mohr: »Grundsätzlich sind wir selbstverständlich gegen jede Diskriminierung.«

Websites vom Netz genommen

Doch nicht nur die Broschüre hat man in Düsseldorf in den Giftschrank verbannt. Auch die Website www.diversity-in-europe.org, von der man sich die Broschüre herunterladen konnte, ist aus dem Netz genommen worden. Die Zugänge für die übrigen europäischen Länder seien ebenfalls gesperrt worden. Darauf verweist Arnulf Sensenbrenner vom Lesben- und Schwulenverband NRW, es habe schon erste Proteste aus dem Ausland gegeben.

Eine Frage der Richtlinien

Auch das schwule Magazin queer hat im Schulministerium nachgehört, wie diese rigiden Maßnahmen zu verstehen seien: Wenn Aufklärung über Homosexualität Werbung für Schwul- und Lesbisch-Sein sei, sei denn dann Aufklärung über Ehe und Familienplanung nicht Werbung für Heterosexualität? Antwort Oliver Mohr: »Das können Sie so sehen.« Es sei aber alles, so Mohr weiter, eine Frage der Richtlinien. Und die stellt die neue CDU/ FDP-Landesregierung gerade mit Nachdruck klar.