»Ich arbeite«

Jens Friebe gilt als neuer Heiland des deutschen Indiepop

Jens Friebe sitzt neben mir in einem Séparée der EMI-Empfangshalle. Wir sind beide schon vor dem Promoter eingetroffen. Der Portier hat uns gebeten, doch noch ein Weilchen zu warten. Das tun wir und starren auf den Fernsehbildschirm, wo irgendeine Castingband zappelt. Betretenes Schweigen. Friebe wirkt geistig abwesend, sieht aber am frühen Morgen schon aus wie aus dem Ei gepellt: Blonde, nach hinten gekämmte halblange Dandyfrisur, ein weißes Romeo-Hemd mit rot funkelnden Manschetten-Saphieren, dazu eine Designer-Jeans. Das ist er also, der – schenkt man dem Zeitungsfeuilleton glauben – Retter der deutschen Popkultur, der Mann mit den schlausten Zeilen im Bizz seit Blumfelds Jochen Distelmeyer, die »wahre Stimme Berlins«. Auf seinem zweiten Album »In Hypnose« verbindet Friebe erneut Chanson-Pop, Indie-Rock und Elektrokrimskrams zu einer eigenwilligen Mischung. Ein Pressedarling ist der Mann schon jetzt, ob seine Musik (mit zusätzlichem Majorfirmen-Support) denn auch zum Verkaufsschlager wird, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Irgendwann kommt der rettende Promoter dann doch noch und führt uns in den für das Interview vorgesehenen Raum. Wurde aber auch höchste Zeit.

StadtRevue: Du hast in Köln jahrelang Musik gemacht, ohne dass sich jemand dafür interessiert hat. Wie ist das nun bei der zweiten Platte, wenn man plötzlich weiß, dass das, was man macht, auf jeden Fall Gehör findet?

Jens Friebe: Auch wenn man es eigentlich ablehnt: So ein Verwertbarkeitsdenken der Gesellschaft beeinflusst einen doch irgendwie. Wenn man zuhause sitzt und einen Song schreibt und überhaupt nicht weiß, ob den jemand hören wird, bekommt man schnell das Gefühl als würde man eigentlich nur rumhängen. Man gesteht sich selbst nicht zu, das als Arbeit zu bezeichnen. Wenn ich jetzt am Klavier sitze kann ich sagen: Ich arbeite.

Der Erfolg kam für dich erst mit dem Umzug nach Berlin. Wieso hat das zuvor in Köln nicht hingehauen?

Da war natürlich viel Glück im Spiel. Dennoch: In Köln gibt es Netzwerke von Musikjournalisten, Clubgängern und Produzenten rein elektronischer Musik. Außerhalb davon gibt es wenig. Als ich nach Berlin kam, kannte ich schon Almut Klotz (Popchor, Lassie Singers, Anm. d. Verf.). Die hat mich direkt gefragt, ob ich bei einem Konzert in Hamburg im Vorprogramm spielen möchte. Dann ging es ja direkt schon los. Wäre ich in Köln gewesen, hätte die mich bestimmt nicht auf dem Schirm gehabt.

Bist Du in Köln denn überhaupt schon als »Jens Friebe« in Erscheinung getreten?

Nein, ich hatte eine Band namens »Parka«. Die Entscheidung nach Berlin zu gehen bedeutete damals die Bandauflösung. Dabei war die Musik zum Teil identisch. Vier Lieder auf dem ersten Album stammen sogar noch aus alten Bandzeiten, die hatten wir damals schon als Demos rumgeschickt.

Inzwischen wirst Du ja sogar schon als »die Stimme Berlins« vereinnahmt. Ist das nicht komisch?

Ich hab nichts dagegen. Allerdings weiß ich gar nicht, was das bedeuten soll, außer das ich aus Berlin komme. Das ist für mich keine inhaltliche Zuschreibung, die mich auf irgendetwas festlegt und insofern egal.

Nah am Zeitgeist vielleicht? An dem, was die junge Generation fühlt? Wo verortest Du dich denn in diesem allgegenwärtigen Deutschpop-Hype?

Da man sich da leider nicht raushalten kann, ohne von anderen einer Seite zugeschlagen zu werden, sag ich: Wenn es nur noch Deutsch und Anti-Deutsch gibt, dann zähl ich mich zu letzteren. Für die Idiotie, ein entspanntes Verhältnis zum Vaterland entwickeln zu müssen und Deutschland wieder positiv zu besetzen, würde ich mich jedenfalls nicht entscheiden.

Wo siehst Du Dich selbst denn idealer Weise in fünf bis zehn Jahren? Auf einer Stufe mit Blumfeld, oder als Erbe Herbert Grönemeyers?


Blumfeld wäre mir lieber. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich lieber weniger Erfolg in Deutschland und dafür mehr international. Das wäre eine wahnsinnig luxuriöse Situation. Hierzulande ein Geheimtipp sein und trotzdem auf gute Verkaufszahlen kommen. Aber mit deutschen Texten muss ich mir das wohl abschminken.

Wie viel Massenappeal gestehst Du Deiner Musik denn überhaupt zu?


Ich wünsche mir schon ein cleveres Publikum, das ein bisschen aufmerksamer Musik hört. Ein Stadien füllendes Publikum darf ich mir nicht versprechen und denke auch, dass die dafür erforderliche Bekanntheit schon nervig sein kann.

An der neuen Platte haben neben Produzent Tobias Levin noch eine Reihe anderer Menschen mitgewirkt, u.a. Hermann Herrman, Gründungsmitglied der Lassie Singers, und der junge Kölner Elektroniker Daso Franke. Wie viel gibst Du musikalisch aus der Hand?

Wenn ich die Songs geschrieben habe, gebe ich erst mal alles aus der Hand. Meine Vorstellungen schärfen sich durch die Vorschläge der anderen Musiker. Vieles davon lehne ich direkt ab. Die Kontur von dem, was ich will, entsteht dann durch all die No-Gos. Dann kommt am Ende meistens etwas raus, das ich am Anfang gar nicht erwartet habe. Ich habe also vorher keinen Masterplan.

Vegetarismus, Journalismus, Aberglaube: Du schreibst oft Lieder »über« etwas. Siehst Du Dich selbst in erster Linie als Kommentator?

Wenn der Eindruck aufkommt, dann eher aufgrund formaler Aspekte. Ich lege Wert auf eine relativ ausgearbeitete künstlerische Form in Reim und Melodie. Die führt dann vielleicht zu einer etwas distanzierteren Haltung. Der Pathos des Direkten ist bei mir, verglichen mit Bands wie Kettcar, nicht so vorhanden, deswegen ist der Eindruck unmittelbarer Betroffenheit und Befindlichkeit vielleicht weniger stark.

Tonträger: Jens Friebe, »In Hypnose« (What’s So Funny About/Labels) ist bereits erschienen

Konzert: Mi 19.10., 21 Uhr, Gebäude 9