Foto: Manfred Wegener

Farbsprayparanoia

Die Kölner Anti Spray Aktion reagiert auf die Attentate in den USA

Ereignisse, die die ganze Welt erschüttern, erhalten durch die spezielle kölsche Eigendrehung ab und zu eine bemerkenswert eigenwillige Interpretation, bei der die Höhe des Tellerrands zuweilen ins Unermessliche steigt. Vorläufiger Höhepunkt war eine gemeinsame Pressemitteilung der Stadt und der Kölner Anti Spray Aktion (kasa) vom 27.9. anlässlich eines Besuchs befreundeter Graffiti-BekämpferInnen aus Finnland: »Vor dem Hintergrund der Terrorereignisse in Amerika haben illegale Wandsprühereien im Stadtbild einen anderen Stellenwert erhalten. Die Diskussion um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung wirkt sich auch auf Faktoren aus, die das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen. Hierzu zählen auch illegale Wandsprühereien im Stadtbild, insbesondere solche, die einen politischen bzw. extremistischen Inhalt haben.«

Wer hat Angst vor Graffitis?

Die Taktik, SprayerInnen zu Angst und Schrecken verbreitenden GewalttäterInnen hochzustilisieren, ist seit langem die Grundlage der kasa-Propaganda. Bereits im Sommer war in den Kinos ein kasa-Spot zu sehen, in dem rappenderweise der Begriff vom »Farbsprayterroristen« lanciert wurde. Die Übersteigerung dieses Schreckensszenarios durch die Verbindung mit den Terroranschlägen in den USA offenbart einmal mehr seine Unverhältnismäßigkeit.
Die Frage, inwieweit Graffitis Angst auslösen und eine Bedrohung für die Bevölkerung darstellen, wurde auch Anfang Oktober bei einer Diskussion im Domforum gestellt, blieb aber von den Vertretern der Stadt unbeantwortet. Als das Podium mit der zitierten Pressemitteilung konfrontiert wurde, ergriff zunächst Moderator Engelbert Greis, stellvertretender Chefredakteur der Kölnischen Rundschau das Wort: das sei doch Quatsch und hätte außerdem in keiner Zeitung gestanden. Dagegen warf Polizeidirektor Winrich Granitzka, nicht ohne sich zuvor entschuldigend an die Pressesprecherin der kasa zu wenden, ein: Er persönlich hätte »diese Formulierung mit den Terrorereignissen wohl nicht gewählt, weil das nicht zusammen gehört«.
So einsichtig er sich auch zeigte, scheinen die Attentate für ihn auch einen positiven Effekt zu haben. Im Vorfeld der Diskussion äußerte er sich in kleiner Runde lautstark und offenbar erfreut: »Seit das in Amerika passiert ist, haben wir vor den Linken Ruhe. Die haben jetzt Besseres zu tun. Die müssen nach Berlin fahren und demonstrieren.«