Wer in den vergangenen Jahren von einer »existenziellen Krise für die Menschheit« sprach, der meinte selbstverständlich den Klimawandel. Doch die vermeintlich größte Krise unserer Zeit hat Gesellschaft bekommen, nicht wenige sagen gar: Konkurrenz.

 

Seit Beginn der Corona-Krise ruhen nicht nur die wöchentlichen Proteste von »Fridays for Future«, mit denen die Klima­bewegung im vergangenen Jahr neue Wucht gewonnen hatte. Auch die öffentliche Wahrnehmung der Klimakrise scheint erschlafft. Wer seine Kinder in der kleinen Mietwohnung beschulen soll, wer in die Kurzarbeit geschickt wurde, wer in Altenheimen auf Besuch wartet, für den ist das »Klimaschutzprogramm 2030« plötzlich ganz fern. Das bekommen auch die Grünen in aktuellen Umfragen vorgeführt. Der Mensch ist offenbar nicht dafür gemacht, mit den Bedrohungen gleich zweier Krisen umzugehen.

 

Manch einer versucht, einen Zusammenhang zwischen Corona- und Klimakrise herzustellen, um das Problem mental handlicher zu machen. Das ist abenteuerlich, und doch verbindet die beiden Katastrophen Grundlegendes: Sie werden beide offenbar nicht schnell aus der Welt zu schaffen sein, und in beiden Fällen tragen wir Verantwortung dafür, sie zu verzögern oder zu stoppen und andere davor zu bewahren: die Risikogruppe und die nächsten Generationen. Und es reicht eben nicht aus, wenn nur die Verantwortung schultern, die von den Krisen am stärksten bedroht sind.

 

Die Bedrohung der Klimakrise bleibt. Womöglich werden die kommenden Wochen uns weitere Vorboten schicken: Köln nimmt Kurs auf den nächsten Hitzesommer. Die Böden sind trocken, die Temperaturen steigen — nahezu alle Bereiche unseres Lebens werden davon geprägt sein. Mehr noch: Viele Bereiche, die unter den Corona-Maßnahmen leiden, werden auch vom Hitzesommer betroffen sein. Bildung, Gesundheit, Wirtschaft — hier droht ein Doppelschlag.

 

Eine böse Pointe der Corona-Krise ist, dass vieles, was Klimaschützer seit Jahren vergeblich fordern, nun notgedrungen umgesetzt wird. Der Virus hat auf zynische Weise eine trügerische Idylle geschaffen: Man hört die Vögel statt der Flieger, Fahrräder und Fußgänger beherrschen das Straßenbild, viele Menschen lernen, sich mit dem zu begnügen, was möglich ist. Doch vermeintlicher Kollateral-Nutzen lenkt bloß den Blick vom Elend ab, das das Virus erzeugt.

 

Aber wenn es zutrifft, dass Krisenerfahrungen das Be­wusst­sein dafür schärfen, dass alles auch anders sein könnte, und zwar von einem auf den anderen Tag, dann hätte man der Katastrophe zumindest eine Erkenntnis abgetrotzt, die auch dem Kampf gegen den Klimawandel noch nutzen könnte.