Zunächst die frohe Botschaft: Diese Stadt ist attraktiv, auch Gott wohnt in Köln. Und das gleich an hunderten Or­ten, wenn man den Haubesitzern — also den religiösen Gemeinschaften — glaubt. Rund hundert religiö­se Gruppen und Gemeinschaften aus aller Welt feiern in Köln ihre Feste.

Für viele Gläubige ist Religion mehr als nur Glaube: ein Stück Hei­mat. Sie sind Teil einer Gemeinschaft, ohne sämtliche Lehren, die zum Kanon ihrer Religion gehören, verinnerlicht zu haben: Wie viele Christen wären etwa in der Lage, die Trinität zu erläutern?

Es gibt eine Krise der Religion. Das zeigen rückläufige Mitgliederzahlen und die Exzesse religiöser Eiferer. Aber es gibt auch eine Krise des Naturalismus. Religiöser Ver­blen­dung steht eine Euphorie des technischen Fortschritts gegenüber, die ethische Probleme ausblendet und auf existenzielle Fragen keine Antworten geben kann. Die spätkapitalistische Welt, in der jeder für sich selbst sorgen und sich selbst optimieren soll, scheint ein großes Bedürfnis nach Spiritualität zu wecken. Oft wird dies mit religiösem Patchwork gestillt, mit Versatzstücken aus Lebenshilfe, Therapie, Folklore oder auch politischer Ideologie. Umgekehrt trägt manch weltlicher Lifestyle mit seinen Sprachregeln, Ernährungshypes und Körperidealen religiöse Züge — und ver­langt den Menschen oft ebenso viel ab, wie Religionen es tun. Wenn Religion vor allem Kult, also Praxis ist, muss sie sich gut in den harten Takt des Alltags einfügen können: Frühmessen unter der Woche? Fünfmal täglich gen Mekka beten? Am Schabbat keine elektrischen Geräte benutzen? Das ist kaum zu schaffen. Aber, wie jemand bei un­se­ren Hausbesuchen der religiösen Gruppen sagte: Das hält Gott aus.

Das Unbegreifliche, das Numinöse, werden Wissenschaft und Technik nie erklären können — es entzieht sich ihren Kategorien. Wie wir mit diesen offenen Fragen umgehen, ob wir sie zu beantworten versuchen oder sie ignorieren können und wollen, entscheidet darüber, wie wir grundsätz­lich zu Religion und Glaube stehen. In Köln gibt es mehr als hundert Antworten und noch mehr Orte, an denen sie verkündet werden. Das ist an sich weder gut noch schlecht, sondern vor allem interessant und manchmal auch kurios und geheimnisvoll.