Night of Surprise
Wer abseits von New York und Chicago Musik hören wollte, die anders ist — unerhört, wild, improvisiert, nicht-westlich, elektronisch aufgeladen —, dem blieb fast nur das »besondere Konzertereignis«: Konzerte in einer Atmosphäre höchster Konzentration. Rasch verbreitete sich dort jene Aura, wie sie nur in einer Versammlung von Eingeweihten entstehen kann. Man bewegte sich mit äußerster Vorsicht.
Dass »die Avantgarde« nicht beißt, hat sich längst bis nach Köln herumgesprochen, und das lag und liegt nicht zuletzt am Festival-Format Night of Surprise. Programmmacher Thomas Gläßer greift dafür im Stadtgarten all area auf das altehrwürdige Format des Promenadenkonzertes zurück: An jeder Ecke, in jeder Nische entdecken wir einen anderen Act, der Kostproben aus seinem reichen Repertoire gibt.
Die Night of Surprise hat sich in den letzten fünf Jahren zu einem solchen Rummel aus Neo-Disco, afrikanischem Blues, Speednoise und Post-Free-Jazz entwickelt (man darf gerne noch ein paar Fantasie-Genres ergänzen), dass man sich gar nicht vorstellen kann, im Stadtgarten liefe noch andere Musik. Die Night of Surprise bietet auf engstem Raum und zu freiem Eintritt musikalische Konfrontationen, die sich in faszinierende Gleichungen auflösen, die ohne Rest aufgehen. Es ist die Summe aus Euphorie und Erschöpfung.
Der Jahrgang 2019: Ahmed ag Kaedys Touareg-Folk, der gleichzeitig so vertraut wie unendlich fremd klingt, kann man direkt mit den verblüffenden Grindcore-Variationen des Berliner Poweret-Trios Higgs vergleichen, die Übergitarristin Mary Halvorson mischt man sich im Kopf mit dem Neo-Jazz des belgischen Trios MDC III (ein Saxofonist, zwei Schlagzeuge). MCZO und Duke aus Dar Es Salaam, der Hauptstadt Tansanias, spielen mit Singeli einen neuen Mix aus ostafrikanischen Dancefloor-Sounds, die sich mit holländischem Gabba und amerikanischem HipHop kreuzen, Dronemusic kommt von Ohio Valley Wrestling, die Kopenhagenerin Puce Mary entwirft opake Klangskulpturen. Von allem gibt es hier noch mehr: Es ist nicht wichtig, die Übersicht zu behalten, man sollte sich nur darauf einstellen, Musik zukünftig anders zu hören. Die Night of Surprise ist ein Einstieg in diesen Möglichkeitsraum.
Fr 11.10., Stadtgarten & Jaki, ab 19 Uhr, Eintritt frei