Menschliche Zeitkapseln
Chicago, Belmont Avenue, 1985. Heute wird diese Gegend »Boystown« genannt und ist das LGBTIQ-Viertel der Metropole am Lake Michigan. In den mittleren 80er Jahren ähnelt sie einem Hospiz. Hier wohnt Yale mit seinem Partner Charlie und am Beginn von Rebecca Makkais drittem Roman »Die Optimisten« treffen wir sie auf der Trauerfeier für ihren Freund Nico.
Seine Schwester Fiona ist die zweite Hauptfigur dieses Romans. Dreißig Jahre später, im Jahr 2015, sucht sie in Paris nach ihrer Tochter, die mit einem Künstler durchgebrannt ist in die Stadt, wo ein knappes Jahrhundert zuvor Fionas Großtante Nora als Model in der Kunstszene rund um Amadeo Modigliani verkehrte. Im Jahr 1985 bietet Nora dann einen Teil ihres Nachlasses, darunter unveröffentlichte Werke, der Chicagoer Universität an, in deren Auftrag Yale eine Kunstsammlung aufbauen soll, was ihn vor einige Probleme stellt.
Der Tod als Begleiter
Im Wollknäuel der Plots von »Die Optimisten« ist der Tod ein ständiger Begleiter. Rebecca Makkai schildert, wie AIDS das Leben ihrer Figuren immer weiter einkreist, wie neue Testmethoden und engagierte Mediziner die Angst vor der Krankheit für einen kurzen Moment verdrängen können, aber die Ohnmacht niemals besiegen. Was bleibt, ist die Erinnerung, und das Nachdenken darüber, wie man sie am besten erhält. »Wenn jemand tot ist und niemand außer einem selbst sein Andenken hauptsächlich bewahrt, dann wäre es doch eine Art Mord, ihn loszulassen, oder?«, fragt das Model Nora an einer Stelle. Sie spricht über ihre große Liebe, den unbekannt gebliebenen Maler Ranko Novak, dessen Kunst Yale ausstellen soll.
Aber wie Nora müssen auch die anderen Figuren ihre Verluste verarbeiten. Nicos Freunde plündern dessen Wohnung und tragen seine Kleidung weiter. Fiona flüchtet sich nach Paris zum Fotografen Richard, der mit Fotos der Epidemie in Chicago berühmt geworden ist und für Fiona nun eine Art menschliche Zeitkapsel darstellt. Makkai verwebt dies mit einer Detektivgeschichte, die vielleicht die einzige Schwäche dieses Romans ist. »Die Optimisten« ist ein Roman über das Überleben, der auch nach den letzten Seiten noch nachhallt.
Roman: Rebecca Makkai: »Die Optimisten«, Eisele, 624 Seiten, 24 Euro