Staubtrocken: Die Kölner Böden starten ohne große Wasserreserven in den nächsten Hitzesommer

Warm dran! Köln vor dem Hitzesommer – Teil 3

 

Bösewicht im Plastikkasten

Stadtrevue-Redakteur Christian Werthschulte über Waldspaziergänge seiner Kindheit und die Faszination für den Borkenkäfer

 

Das Tier meiner Kindheit war der Borkenkäfer. Er ist mir am ehesten in Erinnerung geblieben von all den Tieren, die im Wald leben und die man dort nie zu sehen bekommt. Meine Kindheit war in den 80er Jahren, der Zeit des Waldsterbens. Damals war ich öfters im Wald, der mir damals aber immer recht lebendig vorkam, weil alle anderen Kinder auch dort waren. Praktischerweise war er etwa 200 Meter von unserer damaligen Wohnung in einer Kleinstadt im Sauerland entfernt. Ich mochte den Wald: Es gab raschelndes Laub, coole Schleichwege und vor allem war am anderen Ende des Walds mein Lieblingsspielplatz. Auch mein Vater mochte den Wald, aber anders als ich. Wenn ich mit ihm dort spazieren ging, wurde es didaktisch. Ich lernte, wie man Tanne und Fichte anhand ihrer Nadeln auseinanderhält. Irgendwann kannte ich sogar Begriffe wie »Flurbereinigung« oder den »naturnahen Waldbau«. Denn mein Vater arbeitete beim Amt für Agrarordnung, und für ihn war ein Waldspaziergang wie eine Bildungsreise mit Studiosus. Für mich war der Wald dagegen der Ort, wo Abenteuer stattfinden. Dort lebte der große Bösewicht: der Borkenkäfer. Ich stellte ihn mir als einen gefährlichen Schädling vor, der in Schwärmen die Bäume befällt, um sie langsam abzufressen. Umso verwunderter war ich, als ich lernte, dass man ihn mit bloßem Auge kaum erkennt. Die offensichtlichsten Spuren seiner Existenz waren weiße Plastikkästen, die überall im Wald aufgestellt waren. Mein Vater meinte, die Borkenkäfer würden mit Düften in die Kästen gelockt, und ich nahm mir vor, mich davon fernzuhalten, damit sie nicht meinen Geruch annehmen. Vielleicht habe ich die Borkenkäfer-Fallen aber auch mit Rehkitzen verwechselt, so genau weiß ich das nicht mehr.

Was ich aber mittlerweile weiß: Die »Lockmittelfallen«, vor denen ich als Kind so viel Respekt hatte, sind nicht das wichtigste Mittel gegen Borkenkäfer, sondern die, wie es mein Vater ausdrücken würde, »saubere Waldwirtschaft«. Man fällt die vom Borkenkäfer befallenen Bäume und schält ihre Rinde, um dem Borkenkäfer die Nahrungsgrundlage zu entziehen. Die Wälder meiner Kindheit sind deshalb heute von großen Lichtungen durchzogen. Wenn ich dort spazieren gehe, sehe ich gestapelte Stämme am Wegrand liegen, weil die Holzpreise so niedrig sind, dass sich der Abtransport nicht lohnt. Als Kind habe ich geglaubt, der Katalysator habe das Waldsterben verhindert. Heute weiß ich: Da habe ich mich vertan. Gegen die Hitzesommer konnte er nichts ­ausrichten.

Text: Christian Werthschulte

 

 

 

Apfelmus am Baum

Die regionale Landwirtschaft kämpft mit den Folgen des Klimawandels. Vor allem trockene Böden, aber auch extreme Hitze mindern die Ernten. Die Betriebe werden kreativ — und hoffen auf die Unterstützung der Konsumenten

 

Wenn man Monika Rönn fragt, wie der Klimawandel in den vergangenen Jahren ihre Arbeit verändert habe, atmet sie tief durch: »Wo fange ich da am besten an?« Rönn betreibt mit ihrer Familie den Obsthof Rönn in Meckenheim bei Bonn. Der Betrieb baut in dritter Generation vor allem Äpfel, aber auch Birnen, Kürbisse und Johannisbeeren an, mittlerweile im vierten Jahr im ökologischen Landbau. »In den vergangenen Jahren hat sich unsere Arbeit teilweise gravierend verändert«, sagt Rönn.

Extreme Hitze, wenig Niederschläge, dürre Böden, aber auch vereinzelter Starkregen und Schädlinge führten in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren immer häufiger zu Ernteausfällen. »Mit der fortschreitenden globalen Erwärmung ändern sich auch in Nordrhein-Westfalen die klimatischen Bedingungen — mit zunehmend spürbaren Auswirkungen in der Landwirtschaft«, schrieb das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen schon 2012 in seiner Broschüre »Landwirtschaft und Klimawandel«. Das war noch bevor sich ein Jahrhundertsommer an den anderen reihte. Die Anzahl der Sonnenstunden nimmt zu, die Niederschlagsmenge ab. Auf der einen Seite stehen zwar vor allem viele konventionelle Betriebe sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung in der Kritik, weil sie für den Ausstoß von großen Mengen Treibhausgas verantwortlich sind. Auf der anderen Seite spüren gerade kleinere Betriebe, die ökologisch und nachhaltig arbeiten, immer stärker die Folgen des Klimawandels.

Diese Folgen haben beim Obsthof Rönn viele Facetten. »Es gibt für uns nicht das eine Problem mit dem Klimawandel, das in zwei Sätzen erklärt ist«, sagt Monika Rönn. Eine große Herausforderung ist die Trockenheit der Böden. Dürre sei kein saisonales Problem mehr, erklärt Rönn. Sie dekliniert das Thema Trockenheit durch die vergangenen Jahre: 2016 und 2017 trockene Frühjahre, 2018 der historische Hitzesommer. Die Folgen des Rekordsommers 2018 spürten die Rönns zeitversetzt. »In der trockenen Phase lag der Zeitpunkt, in dem Blüten fürs nächste Jahr angesetzt werden. Weil die Bäume kein Wasser und keine Nährstoffe bekommen haben, haben sie in den Notbetrieb umgestellt und weniger Blüten angesetzt.« Eigentlich trage ein gesunder Apfelbaum knapp 1000 Blüten, aus jeder zehnten sollte ein Apfel werden. »Wenn man nur mit 400 Blüten startet…«, sagt Rönn. Durch die Unterversorgung seien die Blüten zudem weniger widerstandsfähig gewesen gegen Frost und Wasserknappzeit. »Durch den heißen Sommer 2018 hatten wir im vergangenen Jahr kaum Wasserreserven mehr im Boden«, sagt Rönn. Die Dürre zieht sich durch die Jahre. »Wir wohnen in einem Gebiet, in dem man nicht natürlich bewässern kann. Das Grundwasser liegt zu tief.« Den Sommer 2018 verbrachte Rönns Schwiegervater damit, die Felder mit zwei Tausend-Liter-Tanks aus der Leitung zu bewässern. 13 Touren pro Tage, sechs Wochen lang. »Bei 30 Hektar Anbaufläche nur ein Tropfen auf den heißen Stein«, sagt Rönn.

Zwar ist die Dürre derzeit das schwerwiegendste Problem für viele landwirtschaftliche Betriebe, aber längst nicht das einzige. Als sich die Temperaturen im vergangenen Sommer der 40-Grad-Marke näherten, kochten auf dem Obsthof Rönn die Früchte beinahe am Baum. »Wir haben teilweise Temperaturen von bis zu 60 Grad auf der Schale gemessen.« Ähnlich wie bei Hagelschäden sind Äpfel mit Sonnenbrand nicht mehr für den Verkauf geeignet — und kommen in den Most. Für viele Probleme suchen die Rönns nach Lösungen. Für kalte Nächte hat man 100 Frostschutzöfen angeschafft. Man hat Anlagen zur Frostschutzberegnung und 2000 Hagelnetze aufgestellt, die Früchte auch vor Sonnenbrand schützen. Doch es gibt Probleme, für die man auf dem Obsthof noch keine Lösungen hat: »Bäume brauchen eine bestimmte Anzahl an Kältetagen pro Winter. Ohne diesen Kältereiz entwickeln die Bäume im Frühjahr keine Blüten. Wenn es den ganzen Winter zehn Grad hat, weiß der Baum aber nicht, wann er loslegen soll«, sagt Monika Rönn. »Der fehlende Kältereiz könnte langfristig dafür sorgen, dass Obstbau hier nicht mehr möglich ist.«

Auch 30 Kilometer östlich kennt man viele dieser Probleme. Haus Bollheim in Zülpich wird schon seit knapp 40 Jahren biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Das heißt mit einer biologischen Vielfalt in einem ganzheitlichen natürlichen Kreislauf. Auf Acker- und Grünflächen werden Getreidesorten und etliche Gemüsekulturen angebaut, es gibt Viehhaltung, eine Käserei und Bäckerei. »Bei uns war Biodiversität schon ein Thema, da wussten wir noch nicht, dass es dieses Thema überhaupt gibt«, sagt Hans von Hagenow und lacht. Im Umgang mit den Folgen des Klimawandels sieht der Geschäftsführer von Haus Böllheim einen Vorteil darin, dass sein Betrieb breit aufgestellt ist. Trotzdem: Vom Klimawandel bleibt kaum ein Quadratmeter Anbaufläche verschont. »Unsere Kühe fressen viel Gras bzw. Heu, das braucht unheimlich viel Wasser«, sagt von Hagenow. Das Gras für den Heuanbau schneidet man zwei- bis dreimal im Jahr. »Für den sogenannten ersten Schnitt ist noch Wasser da. Aber der Boden hat kaum Reserven.« Im Hitzesommer 2018 hatten zahlreiche Landwirte in Deutschland sogar Tiere notschlachten mussten, weil ihnen das Futter ausgegangen war. Neben Trockenheit in Ackerbau und Viehzucht ist auch Hitze ein Problem: »Blumenkohl oder Broccoli mögen es nicht so heiß. Da müssen wir gucken, ob wir das dauerhaft weitermachen können«, sagt von Hagenow.

Auch auf Haus Bollheim sucht man nach Wegen, wie man den Anbau resilienter machen kann. Zucchini werden mir sparsamerer Tröpfchenbewässerung versorgt, mit dem Aufbau von Humus will man erreichen, dass das Wasserhaltevermögen der Böden steigt, neue Gemüsesorten und neues Weizensaatgut sollen resistenter gegen Wetterschwankungen und extreme Hitze sein. »Das ist in vielen Bereichen ein langsames Herantasten. Die Systeme, die wir über Jahrzehnte aufgebaut und die funktioniert haben, die haut man nicht von heute auf morgen um«, sagt Hans von Hagenow. Der Aufwand für solche Maßnahmen ist hoch, personell wie finanziell. Trotzdem, müsse die Landwirtschaft bereit sein, ihn zu betreiben. »Dass die konventionelle Landwirtschaft sich mit neuen Verordnungen wie der Düngemittelverordnung schwer tut, ist verständlich. Aber das ist der Weg, den man gehen muss, wenn wir Landwirtschaft in dieser Region erhalten und was gegen den Klimawandel machen wollen«, sagt von Hagenow. »Aber nicht nur die Bauern müssen ihren Teil beitragen.«

Wie auch seine Kollegen vom Obsthof Rönn sieht Hans von Hagenow auch Verantwortung bei den Konsumenten. »Wir versuchen zu erklären, was die Herausforderungen einer Landwirtschaft sind, die mit der Natur arbeitet«, sagt er. »Wenn die Erzeuger und die Konsumenten sagen: Es soll alles so bleiben, wie es ist — das geht nicht.« Der Klimawandel erschwert die Produktion und mindert den Ertrag. Wenn man als Landwirt zudem zum Klimaschutz beitragen will, schlägt sich das im Preis nieder. Nachhaltige Landwirtschaft kostet. Mit dem Verkauf an den Einzelhandel können viele Landwirte nur geringe Preise erzielen, weshalb wieder mehr Betriebe den Weg über die Direktvermarktung auf Märkten in der Stadt gehen.

Monika Rönns Blick auf das laufende Jahr ist verhalten optimistisch. »Wir gehen davon aus, dass wir eine vergleichbare Ernte bekommen wie letztes Jahr. Wir kommen durch.« Einige Maßnahmen zur Klimaresilienz greifen. »Aber es wird kein gutes Jahr, das kann man schon sagen. Wir sprechen nicht von einer vollen Ernte, sondern von 60, 70 Prozent.« Was früher ein schlechtes Jahr war, könnte künftig als ein normales gelten.

Text: Jan Lüke