Mit Erfolg am Ende
Was ist mit den Kölner Grünen los? Seit Jahren regieren sie die Stadt, mal mit SPD, mal mit CDU. Warum will niemand von ihnen auch mal OB werden? Stattdessen ringt man sich durch, mit der CDU wieder Henriette Reker zu unterstützen. Doch Reker die Unterstützung zu verwehren, das wäre viel gewagt. Sie ist als parteilose Frau im Amt Sinnbild für ein besseres Köln. Eben das begünstigte vor fünf Jahren ihren Wahlerfolg. Ist der grüne Coup von 2015 zum Problem geworden?
Damals hatte Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer und Chefstratege der Grünen, den Einfall, die Sozial- und Umweltdezernentin solle OB werden. So würde man nach Jürgen Roters einen weiteren OB der SPD verhindern. Rot-Grün war ohnehin am Ende. Reker konnte zur Lichtgestalt aufgebaut werden, die mit dem kölschen Klüngel aufräume. Die Grünen versammelten hinter ihr eine satte Mehrheit aus CDU, FDP, Deine Freunde und Freie Wähler. Die SPD tobte, denn sie hatte schon verloren. Jörg Franks Plan ging auf.
Überhaupt ist Frank maßgeblich für den anhaltenden grünen Erfolg verantwortlich. Frank ist politischer Handwerker, denkt praktisch. Ein Wechsel von SPD zu CDU ist für ihn keine ideologische Frage, sondern Resultat einer Berechnung, mit wem die Chancen besser stehen, Ziele umzusetzen — und an der Macht zu bleiben. Utopien lässt Frank gelten. Aber er wartet auf den richtigen Zeitpunkt, die günstigen Umstände. Eine wache Geduld zeichnet ihn aus.
In seinen vom rheinischen Singsang geprägten Reden verweist er auf Sachstände, Zahlen, juristische Rahmenbedingungen. Er kennt das Datum uralter Beschlüsse und nicht zuletzt die Geschäftsordnung im Rat, mit der er den politischen Gegner ausbremsen kann. Frank redet nicht mitreißend, er strahlt Kompetenz aus. Auf seinem Gebiet — Wirtschaft, Finanzen, Liegenschaften — ist er unangefochten. Sein Erfolg ließ Kritik nicht aufkommen.
Schlecht gepokert im Stadtwerke-Deal
Das ist anders seit dem Frühsommer 2018 und dem Stadtwerke-Deal, den OB Reker noch verhinderte — und damit ausgerechnet das Ende der politischen Laufbahn von Frank einleitete. Weil Frank, dem Strategen, ein kolossaler Fehler unterlaufen ist. Was war passiert? SPD-Fraktionschef Martin Börschel will, in Abstimmung mit den Spitzen von CDU und Grünen, einen neuen Posten bei den Stadtwerken schaffen, den er dann selbst bekommen soll. Neben Börschel geraten CDU-Fraktions- und Parteichef Bernd Petelkau, Grünen-Fraktionschefin Kirsten Jahn und eben Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank in einen Orkan der Entrüstung.
Der Deal hatte vor allem taktische Gründe. Mit dem Stadtwerke-Posten hätte Börschel seine politischen Ämter aufgegeben, außerdem hätten andere einflussreiche Positionen mit CDU- und Grünen-Mitgliedern besetzt werden können. Während Petelkau mit ein paar Entschuldigungen durchkommt, müssen Jahn und Frank zurücktreten. Frank trifft es am härtesten, nun gilt er als Klüngeler: ein gefallener Held in der ewigen Erzählung vom Idealisten, der von der Macht korrumpiert wird. Dabei hätte Frank keinen persönlichen Vorteil erlangt. Aber sein strategisches Denken hatte ihn Gespür für das verlieren lassen, was zurecht als anrüchig gilt, auch wenn es juristisch nicht zu beanstanden wäre.
Franks wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz aber würde niemand anzweifeln. Dass die Grünen, deren Geschäfte Frank im Rat bis dahin 18 Jahren führte, auf diesen Feldern Erfolge erzielten, ist sein Verdienst.
Jetzt klingt Franks politische Karriere aus. Die Ratssitzung am 10. September ist nach 31 Jahren seine letzte. Drei Tage später könnte OB Reker wiedergewählt werden und die Grünen ihre Fraktionsstärke ausbauen. Sie blieben wohl an der Macht. Aber wohl mit einer neuen Fraktionsvorsitzenden, Christiane Martin aus Ehrenfeld, und mit Lino Hammer, dem jungen Nachfolger Franks als Geschäftsführer.
Forderungen nach neuem Politikstil
Der Stadtwerke-Skandal hat die Grünen durchgerüttelt. Stimmen werden laut, die einen anderen Politikstil fordern. Viele, die auch bei den Grünen sein könnten, erscheint das Engagement in Initiativen authentischer, es zeigt ja auch Erfolge. Was dort gefordert wird für Verkehr, Klima, Stadtplanung oder Kultur, das setzt die Grünen unter Druck.
Auch Jörg Frank und andere altgediente Grüne entstammen solchen Milieus, aber haben sich dann dem parlamentarischen Pragmatismus und seiner Mechanik der Macht angepasst. Das kann man als allmähliche Ermattung des politischen Elans begreifen. Oder als Professionalisierung durch Machtinstinkt. Dass nun womöglich eine OB weitere fünf Jahre im Amt sein wird, die für sich reklamiert, allein das bessere Argument gelten zu lassen, Vernunft über jedes Kalkül zu stellen und zudem parteipolitisch unabhängig zu sein — das ist auch der Erfolg und zugleich das kuriose Erbe des Jörg Frank.