Verwunschenes Fleckchen Großstadt: Die Streuobstwiese in Worringen ist Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen

Die Obstkammern der Stadt

Streuobstwiesen wurden in Köln über viele Jahre vernachlässigt. Die Nabu-Naturschutzstation soll den ökologischen Schatz nun heben

 

»Das perfekte Insektenhotel.« Volker Unterladstetter blickt auf einen abgestorbenen Kirschbaum. Die dürren Überreste sind mit Drähten im Boden befestigt. Ohne sie würde der Stamm nicht mehr stehen. »Totbäume sind ein wichtiger Bestandteil dieser Fläche«, sagt der Referent der Nabu-Naturschutz­station Leverkusen/Köln. Einige Meter weiter hat ein Specht eine Höhle in einen toten Apfelbaum gehackt. In dem langgezogenen Grünstreifen stehen vor allem Apfel-, Birnen und Kirschbäume. Viele der 90 Bäume in Worringen sehen angeschlagen aus. »Wir haben hier zu wenige gesunde Bäume«. Das seien direkte Folgen des Klimawandels, erklärt Unterladstetter. »Aber man merkt auch, dass die Bäume nicht gut gepflegt wurden.«

Das soll sich ändern. Die Nabu-Naturschutzstation Leverkusen/Köln ist seit vergangenem Jahr damit beauftragt, die Streuobstwiesen in Köln zu entwickeln. Die Biologische Station, die anders als die namensverwandte Umweltorganisation Nabu als Behörde mit Hauptamtlichen arbeitet, kooperiert mit dem Grünflächenamt. »Die Stadt ist mit der Pflege der Streuobstwiesen nicht mehr hinterhergekommen«, sagt Sönke Geske, der Geschäftsführer der Naturschutzstation. In Köln gibt es über 1100 Bäume auf mehr als 30 städtischen Streuobstwiesen. Einige wurden von Initiativen vor Ort gepflegt, der Großteil aber war in schlechtem Zustand.

Das geheime Leben der Obstbäume

Geske sieht darin verschwende­tes Potenzial. »Streuobstwiesen sind ein Zugang zur Natur vor der eigenen Haustür.« Sie seien Natur­erfahrungsraum für den Menschen, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, außerdem Obstkammern für die lokale Ernährung. »Wir möchten diesen ökologischen Schatz heben.« Streuobstwiesen haben eine Jahrhunderte alte Tradition, zuletzt wurden sie meist als Ausgleichs­flächen für Bebauung angelegt. Sie sind zwar naturnah, aber keine wilden Grünflächen.

Um sie ökologisch und nachhaltig zu entwickeln, braucht es pflegende Eingriffe mit spezifischem Know-how. »Die Idee von Streuobstwiesen ist ja gerade, dass der Mensch im Einklang mit der Natur lebt«, sagt Geske. »Der Mensch ist nicht nur Schädling, er kann auch Nützling sein.« Die Streu­obstwiese an der Stadtgrenze in Worringen nennt Geske »Vorzeigewiese«. Er schätzt, dass die Grün­fläche vor 70 bis 80 Jahren angelegt wurde. So alt sind die Kirschbäume an dem verwunschenen Ort. Das Aas eines toten Bussards liegt im Gras, umgestürzte Bäume wurden bewusst nicht entnommen, zuletzt hat die Naturschutzstation fünf Jungbäume gesetzt.

Am Ende der Wiese befindet sich eine selbstgebaute Sitzecke. Sie ist Treffpunkt des Jugend­zentrums Northside in Chorweiler. Schon im dritten Jahr ermöglicht die Naturschutzstation auf der Streuobstwiese Kindern und Jugendlichen »alltägliche Naturerfahrung«. Die kann auch nur darin bestehen, dass Jugendliche Zeit auf der Wiese verbringen, mit einer Leiter in den Baum klettern und sich einen Apfel pflücken. »Sie sollen das als ihren Ort wahrnehmen, an dem sie sich ohne Hemmungen bewegen«, sagt Geske, der vergleich­bare Angebote für weitere Streuobst­wiesen entwickeln möchte. »Für viele Menschen ist das Gefühl, mit den eigenen Händen Arbeit direkt zu genießen, unerreichbar geworden«, sagt Geske. »Streuobstwiesen bieten Naturerfahrung in all ihren Facetten.«

Mit dem Umweltbildungszen­trum Gut Leidenhausen und dem LVR bietet die Biologische Station »Nabu-Natur­schutz­station Leverkusen/Köln« ab Oktober 2020 eine Ausbildung zum Obstwart an. Die Reihe besteht aus ­verschiedenen Seminaren, die man auch einzeln belegen kann.

Termine und Anmeldung unter info@nabu-bslk.de