Kein Risiko fürs Publikum: Cinenova in Ehrenfeld, Foto: Dörthe Boxberg

Kinos im Corona-Modus

Fünf Kölner Kinobetreiber*innen über Lockdown, Krisenmanagement und

Zukunftsperspektiven

»Der schlimmste Teil der Krise kommt erst noch. Von Oktober bis März werden wir richtig kämpfen müssen«. Martina Borck lacht. Kein heiteres Lachen, eher ein pragmatisches nach dem Motto: ›So sind die Zeiten und wir müssen die Herausforderungen annehmen‹. Mit ihrer Familie betreibt Borck das Cinenova in Ehrenfeld —  die Hauptsaison liegt im Herbst und Winter. Auch wenn Soforthilfen unbürokratisch und schnell zur Verfügung standen, die Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden konnte, die Nachbarschaft als »Veedelsretter« ihr Bestes gab, die Open-Air-Saison gut lief und mit »Tenet« zuletzt ein Kassenmagnet startete, es mussten Rücklagen angezapft werden. Auch weil das Cinenova nach wie vor nicht alle Kinositze freigibt: »Nach dem aktuellen Hygienekonzept der Stadt könnten wir schon wieder alle Plätze besetzen«, erklärt Borck, »aber wir wollen unsere Besucher*innen keinem Risiko aussetzen und verkaufen nur ein Drittel der Tickets.« Es seien auch noch nicht alle Stammgäste wieder in Kinostimmung, viele Ältere blieben weg. Zu groß die Angst vor einer Infektion mit COVID-19.

»Die Lage ist mäßig«, sagt auch Dirk Steinkühler von der Filmpalette auf der Lübecker Straße am Eigelstein. Dort bleibt vor, hinter und neben jedem besetzten Sessel ein Platz frei, so dass im größeren Saal von 68 Plätzen nur 40 besetzt sind. »Im Herbst werden wir aus wirtschaftlichen Zwängen die erfolgreichen Filme zweimal am Tag zeigen müssen, das geht dann zu Lasten anderer Filme«, erklärt Steinkühler. »Wir finden aber, dass es insgesamt gut gelungen ist, die Krise aufzufangen.«

Moritz Busch hörte im März »von befreundeten Kinobetreibe­r*innen in Soest und Bonn, dass sie im Zuge des Corona-Lockdowns schließen müssen. Da habe ich noch gescherzt, dass wir wohl auch bald dran sind.« Der Scherz des Theaterleiters des Weisshauskinos wurde bitterer Ernst, als am 15. März dem altehrwürdigen Lichtspielhaus auf der Luxemburger Straße der Betrieb untersagt wurde. »Die Entscheidung war nachvollziehbar, aber wir haben als Team ein paar Tage gebraucht, um uns zu ordnen«, so Busch. » Kurzarbeitergeld und Soforthilfen wurden ohne Umschweife bewilligt. Auch von der Film- und Medienstiftung in Düsseldorf gab es finanzielle Unterstützung. Nach 88 Tagen im Lockdown nahm das Weisshauskino den Betrieb am 11. Juni wieder auf. Moritz Busch hofft auf einen verregneten Herbst und einen kalten Winter, damit die Säle, in denen weiterhin Abstandsregeln gelten, gut gefüllt sind. Zwar gibt es nach vielen verschobenen Starts aktuell einen großen Rückstau bei den Kinofilmen, »aber das kriegen wir alles hin, nur einen zweiten Lockdown im Winter würden wir kaum verkraften. Das wäre eine Katastrophe.«

Er habe sich einmal kurz schütteln müssen zu Beginn der Krise, dann sei alles erstaunlich gut gelaufen: »Ich kann nicht klagen«, sagt Thorsten Schwiers, der seit 20 Jahren das 1967 eröffnete Autokino Porz betreibt. »Wir hatten drei Wochen lang geschlossen, bis wir den Betrieb mit eingeschränkten Kapazitäten wieder aufnehmen konnten.« Das bedeutete weniger Autos mit weniger Insassen, keine Snackbar mehr und auch keine Trödelmärkte, die an spielfeien Tagen für Leben und Umsätze auf dem Gelände sorgen. »Doch das Wichtigste war, dass wir wieder Filme zeigen und das Personal beschäftigen konnten«, erzählt Schwiers. Die Anträge auf Kurzarbeit für seine 35 Beschäftigten hätten bereits auf dem Tisch gelegen, plötzlich sei alles ganz schnell gegangen: »Mitte März hatten wir wie alle anderen Kinos schließen müssen, doch schon am 3. April kam ein Schreiben der Stadt Köln, dass wir unter Auflagen wieder Filme zeigen können. Zunächst sagten wir uns: ›Dann machen wir morgen wieder auf.‹ Aber wir waren so euphorisch, dass wir beschlossen: ›Nichts da, wir öffnen noch heute Abend wieder!‹«

Der Cinedom — drittgrößtes Kino Deutschlands mit einem Einzugsgebiet weit über die Stadtgrenzen hinaus — konnte während des Lockdowns nicht auf Nachbarschaftshilfe und Solidaritätsaktionen im Veedel hoffen. Dafür ist das Mulitplex dann doch zu unpersönlich. So mussten andere Mittel her, um die unfreiwillige Auszeit zu überbrücken. »Als der Lockdown kam, haben wir erst einmal alle Beschäftigten nach Hause geschickt«, erinnert sich Holger Pfaff, der erst Anfang des Jahres Geschäftsführer des Cinedom mit über hundert Beschäftigten wurde. »Dann haben wir Soforthilfe beantragt und Kurzarbeitergeld bezahlt, das wir nach Rücksprache mit dem Betriebsrat aufgestockt haben — durch eigene Rücklagen und durch einen Kapitalzuschuss der Gesellschafter.« Die Miete wurde gestundet, mit dem Erfolg, seit der Wiedereröffnung Anfang Juli inzwischen eine schwarze Null schreiben zu können. »Wir wollen gestärkt aus der Krise hervorgehen«, sagt Pfaff, der aus der Luftfahrt kommt und Quereinsteiger in der Kinolandschaft ist. Er habe den Ehrgeiz, in der Corona-Krise zu beweisen, dass ein Kino sehr viel mehr zu bieten habe als die Streamingdienste: »Warum immer nur Popcorn und Cola, warum nicht Saftschorlen oder ein guter Wein und kundenfreundliche digitale Serviceangebote«, schwärmt der Marketingspezialist. Ein zweiter Lockdown aber, das sieht Holger Pfaff ähnlich wie seine Kolleg*innen in den anderen Kölner Lichtspielhäusern, würde alle ambitionierten Pläne durchkreuzen — und das Kino nicht nur in Köln sehr weit zurückwerfen.