Schreiben gegen die Angst
»Alle haben Angst in diesem Land der unterirdischen Kerker.« Ein einziger Satz beschreibt die Stimmung von »Palast der Miserablen«. Die Protagonisten in Abbas Khiders letztem Roman haben Angst vor den repressiven Strukturen im Irak unter Saddam Hussein, vor Folter und Gefängnis, und sind auf der Suche nach Strategien, dieser Angst etwas entgegenzusetzen. Zu einer solchen Strategie wird die Literatur: »Es war herrlich, die Welt draußen für ein paar Stunden einfach vergessen zu können. Wir entfernten uns aus unserer Gegenwart und wurden zu neuen Menschen mit ganz anderen Problemen als Hunger, Arbeitssuche oder Krankheit. Stattdessen debattierten wir über das richtige Versmaß, schräge Metaphern oder gackerten einfach herum.« Einer dieser Literaturbegeisterten, die sich kurz nach der Jahrtausendwende illegal zusammenschlossen, ist Shams Hussein, der mit seiner Familie während der Golfkriege in den Slums von Bagdad, dem sogenannten Blechviertel, aufwächst. Über die Auseinandersetzung mit Literatur gelingt es ihm, sich ein Leben jenseits des Hussein-Regimes vorzustellen. Für diese utopischen Gedanken wird er verhaftet und gefoltert.
Die Szenen im Gefängnis strukturieren das Buch und konfrontieren die Diskussionen über die Schönheit von Literatur mit der politischen Realität des Iraks. Eine Realität, die der 1973 in Bagdad geborene Abbas Khider selbst erleben musste. In den 90er Jahren wurde er mehrmals verhaftet und gefoltert, floh 1996 aus dem Land und kam im Jahr 2000 nach Deutschland, studierte hier Literaturwissenschaft und Philosophie. Das Schreiben auf Deutsch, die Distanz zu seiner Heimat und seiner Vergangenheit, haben es ihm ermöglicht, diese Erfahrungen in unterschiedlicher Intensität in fast alle seine Romane einfließen zu lassen. »Flucht, Exil, die Zerstörung der Person« seien zu seinem literarischen Programm geworden, hat der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Autor in einem Interview erklärt.
»Ich schreibe darüber, wie einfache Menschen die Welt sehen«, hat Khider einmal gesagt, Menschen wie Shams Hussein in »Palast der Miserablen«, der sich als Plastiktütenverkäufer durchschlägt, der im libyschen Exil als Bauarbeiter lebende Salim in »Brief in die Auberginenrepublik« oder der Flüchtling Karim, der sich in »Die Ohrfeige« mit den Tücken des deutschen Asylrechts konfrontiert sieht. Sie alle eint die Angst angesichts einer brutalen Welt, aber auch ein bitterer und entwaffnender Humor.