Blumen zum Jubiläum: Peter Kremeier

Unabhängigkeit statt Assimilation

Losoul gelingt das Kunststück, zeitlosen House zu produzieren

Das Jubiläumsrelease »Belong«, das Debütalbum von Peter Kremeier, besser bekannt als Losoul, hat seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 2000 keinerlei Patina angesetzt. Im Gegenteil, die neun House-Tracks verblüffen auch heute noch mit ihrer federnd leicht performten Deepness. Wie das sein kann, haben wir im Austausch mit dem gebürtigen Kölner und heutigen Frankfurter Peter Kremeier herauszubekommen versucht.


Peter, wie fühlt es sich für dich an, das 20jährige Jubiläum von »Belong« zu begehen?

Die Stücke auf »Belong« stellen eine Seite von Losoul jenseits clubbigerer Grooves dar — eine andere Perspektive bei logischerweise ähnlichem Hintergrund und Erfahrungsschatz. Das Interessante ist, daß sich »Belong« bis heute, oder vielleicht: heute wieder, ziemlich gut in die aktuelle Entwicklung einzufügen scheint.


Fühlt sich für dich die Musik denn überhaupt zeitlos an?

Dieses Attribut wurde der Musik ja eher im Nachhinein von anderen verliehen. Es geht um das Gefühl dabei, und das hat sich insgesamt für mich als richtig herausgestellt hat. Es war mir wichtig, mich mit mir selbst zu konfrontieren und mich so zu entwickeln. Mein Weg war es, zunächst eine aktuell glaubhafte wie realistische Quintessenz meines Backgrounds anzubieten und damit zu interagieren. So habe ich Zuspruch wie auch Ablehnung erfahren, ich habe es immer vermieden, mich stilistisch zu assimilieren oder übermäßig auf spektakuläre Reaktionen hinzuarbeiten.


Du hast, bevor du selbst zu produzieren begonnen hast, deine musikalische Sozialisation in Clubs wie dem Omen und dem Dorian Gray erfahren. Wäre der Produzent und DJ Losoul ohne den Tänzer Peter Kremeier denkbar gewesen?

Ja, tanzen und körperliche Erfahrung sind für elektronische Tanzmusik, die auch noch neuartig sein will, natürlich key. Ich bin allerdings kaum wirklich ein Kind des Omen oder ein Dorian-Gray-Dancer gewesen, obwohl ich seit Ende der 80er öfter mal da war und auch im Dorian Gray später sogar ein paarmal gespielt habe. Ich bin ja ursprünglich aus Köln und erst 1989 ins Rhein-Main-Gebiet gekommen.  In Köln war ich Ende der 80er meistens im Rave Club unterwegs, wo für die damalige Zeit wirklich coole und spezielle Musik gespielt wurde, es liefen ausgesuchter House, Techno, Acid, EBM, soweit ich weiß auch HipHop und Soul.


Ich mag an »Belong« sehr, dass das Auftaktstück den bestimmenden Titel »Taste Not Waste« trägt. War das eine Ansage an jemand besonderen damals oder eher ein Mantra an dich selbst?

Normalerweise mache ich Musik aus einer Situation heraus, und die Titel werden dann dazu in Worte gefasst. ›Taste Not Waste‹ hatte sich als passende Beschreibung einer vorherrschenden, auch temporären Situation herausgestellt, mit der die Geschichte des Albums gut beginnen und sich weiterentwickeln konnte. Mantra wäre zuviel gesagt, aber es war eine Idee, die im Nachhinein als Reflektion des Moments geeignet erschien. Es gibt ja, wenn man sich mit seiner Musik, oder Kunst entwickelt, zum Beispiel die Möglichkeit, Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu beschreiben, beziehungsweise als Ausdruck dessen zuzulassen. Manche schauen auch nur, was andere machen, und beschreiben dies von außen und essen mit den Hörern Popcorn. Damit bleiben sie meist bei den geschäftlichen Parametern,  es fehlt dann die Erfahrung der eigenen Involvierung. Betrachtung allein kann das kaum ersetzen und bleibt oft stereotyp.

Hört man ein Stück wie »Trust«, muss man sofort an amerikanische Soul-, Funk- und Disco-Musik denken, wie oft bei dir. Wieviel verdankt Losoul denn den Einflüssen afroamerikanischer Musik der 70er und 80er Jahre?

Solange ich denken kann, fand ich, vereinfacht gesagt, Musik immer interessant, wenn der Rhythmus funky und die harmonische Entwicklung soulful und dabei glaubwürdig war. Was ich zweifellos sagen kann, ist, dass klassischer Soul und Funk hinsichtlich Rhythmus, Emotion und auch Sound für mich eine Referenz waren und bis heute zum Teil noch sind. Wenn ich ehrlich bin, kann ich natürlich ethnisch nur begrenzt mitreden, da ich zum Beispiel Rassismus nie selbst kennenlernen musste, auch wenn ich ihn schon recht früh woanders sehen konnte. Losoul verdankt dem Soul sicher a whole lotta inspiration, aber das aktuelle Leben ist voll von lokaler Realität ­— und unsere Kultur braucht Ideen und Bewusstsein zur Weiterentwicklung.


Wie geht es dir persönlich denn mit Begrifflichkeiten wie Minimal und Microhouse, die unmittelbar und im Fall von Microhouse später mit deiner Musik verbunden wurden?

Der Begriff Microhouse ist okay für die Musik, es ist nur manchmal erstaunlich, welch unterschiedliche Musik unter einem solchen Begriff zusammengefaßt wird. Das ist heutzutage aber auch eine positive kulturelle Entwicklung: Musik ist weniger an Orte oder kulturelle Hintergründe gebunden, sondern daran, was jemand individuell machen und repräsentieren kann. In Zeiten von Identitärer Bewegung und wiederaufkommendem völkischem Bewusstsein halte ich das für einen guten Beitrag zur Verständigung. Es ist auch immer eine echte Qualität der Szene gewesen, dass man sich über Grenzen vieler Art hinweg auf die Musik und ihre Ausdrucksformen einigen konnte.

Da du ja auch schon vor Corona nicht so häufig aufgetreten bist, würde mich interessieren, ob du eigentlich von der Musik lebst?

Ich habe tatsächlich bis dato von Musik gelebt, also bin als DJ und Liveact getourt und habe im Studio an Produktionen und Remixes gearbeitet. Dazu kamen ein paar verwandte Einnahmen im Sound- und Technikbereich und natürlich Labelarbeit, die heutzutage allerdings kein großes Einkommen mehr generiert. Durch die aktuell weggefallenen Veranstaltungen habe ich diverse Zuschüsse beantragt und kann jetzt soweit unabhängig von Corona an neuen Projekten arbeiten.

Tonträger: Losoul, »Belong« (Playhouse), bereits erschienen.