Die Mauer muss weg
Elf Jahre klafft nun schon ein Loch am Waidmarkt. Solange der Einsturz des Stadtarchivs vor Gericht verhandelt wurde, mussten die Bauarbeiten für die Nord-Süd-Bahn stillstehen. Doch zuletzt gab es erfreulichere Nachrichten. So beschloss der Rat der Stadt im April 2019, einen unterirdischen Raum offenzuhalten, um darin eine Kunsthalle einzurichten — genau über dem Gleiswechselbauwerk, dessen Bau einst die Katastrophe hervorrief. Im März 2020 kündigte OB Henriette Reker zudem an, die Bürgerschaft an der weiteren Entwicklung des Areals rund um die Unglücksstelle zu beteiligen und dafür eine eigene Projektgruppe in der Stadtverwaltung einzurichten.
Im Juni 2020 folgte dann die wichtigste Nachricht. Die Stadt hat sich nach jahrelangem juristischem Streit mit den Baufirmen geeinigt: Sie zahlen der Stadt 600 Millionen Euro, bauen die U-Bahnstrecke auf eigene Kosten zu Ende und errichten einen Gedenkraum. Endlich kann das Gleiswechselbauwerk saniert, die U-Bahn weitergebaut und auch die Umgebung neu gestaltet werden.
»Natürlich freuen wir uns, dass endlich Bewegung in die Sache kommt«, sagt Günter Otten von der Initiative Archivkomplex, von der auch Idee und Konzept der Kunsthalle stammen. Die Künstler und andere Engagierte hatten sich nach dem Einsturz zusammengetan, den mangelnden Aufklärungswillen der Stadt angeprangert und gefordert, die Stadt solle »angemessen« mit dem Ort des Unglücks umgehen. Inzwischen habe man einen besseren Draht zu den städtischen Ämtern, sagt Otten. Weniger erfreut ist er jedoch über die Errichtung drei Meter hoher Lärmschutzwände, hinter der die Einsturzstelle für mindestens ein Jahr verschwinden soll. Ein erster Abschnitt steht bereits. »Es darf nicht sein, dass der Einsturzort durch Trennwände verdeckt wird. Stadt, KVB und Baufirmen sollten transparent mit dem Einsturz umgehen und die Öffentlichkeit am Fortgang der Arbeiten teilnehmen lassen«, so Otten. Archivkomplex fordert, die Wände mindestens mit Sichtschlitzen zu versehen, oder aber eine Aussichtsplattform zu bauen.
»Wir fühlen uns von den Arbeiten überrumpelt«, sagt Otten. »Wäre die von OB Reker versprochene Projektgruppe bereits eingerichtet, hätte man diese Fragen bereits im Vorfeld klären können.« Wann diese einberufen wird, konnte Stadtsprecher Jürgen Müllenberg nicht sagen. Hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklung des Geländes gebe es keine Neuigkeiten. Die KVB wiederum verweist darauf, dass die Lärmschutzwand eine Vorgabe der Bezirksregierung sei. Man habe die Anwohner vor Baubeginn umfangreich darüber informiert. Der Forderung nach Sichtschlitzen komme man gerne nach, »sofern dies mit den Anforderungen der Bezirksregierung vereinbar ist«, so KVB-Sprecherin Gudrun Meyer.
Weil neben der Wand nur Platz für einen schmalen Fußweg auf der Severinstraße bleibt, müssen auch Radfahrer seit dem 1. November einen langen Umweg nehmen. Eine Behelfsbrücke über die Grube, die der ADFC ins Gespräch gebracht hatte, gibt es nicht. Sie wäre zweifellos teuer geworden — zumindest aber hätte man sich die Diskussion über eine Aussichtsplattform erspart.