Seehafen Köln

Im Rhein sollen bald 71 sogenannte Dalben gebaut werden. Das könnte

das Flusspanorama drastisch verändern — und kaum einer weiß davon

 

Viele Kölner werden wohl bald ein neues Wort lernen: »Dalbe.« Das ist ein Pfeiler, der in den Grund eines Gewässers gesetzt wird, um Schiffe oder Anlegestege zu halten. 71 mächtige Dalben aus Stahl sollen demnächst rund vier Meter vor das Ufer von Innenstadt und Nordstadt in den Rhein gerammt werden, 38 von ihnen vor dem Rheinau­hafen, 33 weitere vom Schokoladenmuseum bis zur Bastei. Die Dalben werden das Stadtbild nachhaltig verändern, aber auch Fußgängern am Rheinufer ins Auge fallen. Ein Hauch von Seehafen Rotterdam könnte durch Köln wehen.

Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner befürchtet: »Das sieht ja dann so aus, als stünde die Innenstadt hinter Zaunpfählen!« Dem Kölner Gestaltungsbeirat, einem vom Stadtrat bestellten Experten­gremium, gefallen die Pläne auch nicht. Aber, so Annette Paul, Architektin und Mitglied des Beirats: »Man hat uns gesagt, es geht nicht anders, also haben wir es offiziell nur zur Kenntnis genommen.«

Dabei ging es in der öffentlichen Diskussion und den Pressemitteilungen der Stadt sogar immer nur um die 1,40 Meter dicken Dalben vor dem Rheinauhafen, die die Last der Frachtschiffe auf die marode Ufermauer verringern sollen. Die 33 nördlich davon bis zur Bastei geplanten ­Dalben, die jeweils 1,20 Meter dick sind, wurden in der Unterrichtungsvorlage der Verwaltung Ende 2018 nur kurz erwähnt. Eine Lagekarte der Dalben zwischen Deutzer Brücker und Hohenzollernbrücke oder gar eine Visualisierung lagen nicht bei. Vor der Altstadt ist ausschließlich die private Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt GmbH (KD) Bauherrin. Außerdem plant die städtische Häfen und Güter Köln AG (HGK) den Bau von Dalben für ihre Anlegestellen.

Dalben statt Poller

Anlass der Dalben-Bauwut: Die Poller und Ringe an den Ufern sind auf Dauer nicht stark genug, um die Schiffe und ihre Anlegepontons sicher zu halten. Am Rheinau­hafen hatten Anfang 2018 die Taue eines Frachters einen Haltering aus der Kaimauer gerissen, woraufhin die Anlege­stellen vorübergehend gesperrt wurden.

Mittlerweile sind die Planungen für den Altstadtabschnitt nach Auskunft des von der KD beauftragten Inge­nieurs Martin Schumacher weit fortgeschritten. Einblick in die Unterlagen wollen HGK und KD jedoch nicht gewähren. »Es wird noch zwischen den Beteiligten verhandelt«, so HGK-Sprecher Christian Lorenz. Wer mit wem worüber verhandle? Keine Auskunft. Dem Vernehmen nach geht es um die Nutzungsverträge zwischen Stadt und HGK für das Ufer rund um die Anlegestellen des Unternehmens. »Die Verträge mit dem Vorhabenträger HGK liegen vor, sind aber noch nicht unterschrieben«, so Stadtsprecher Robert Baumanns. Erst nach der Unterschrift könne die HGK etwas zum voraussichtlichen Baubeginn sagen.

Auch Baumanns möchte keine weiteren Fragen beantworten und verweist zum Stand der Umsetzung zurück an HGK, KD und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die für die Rheinschifffahrt zuständig ist. Die WSV will die Dalben vor dem Rheinauhafen errichten und hat die städtischen Ausschüsse über Aussehen, Lage und Bauart der Pfeiler genauer informiert. Bei den anderen Dalben aber ist die Behörde lediglich für die Genehmigung zuständig. »Es liegen uns noch keine Bauanträge vor«, so Christian Hellbach von der WSV. Er könne deshalb keine Auskunft über Einzelheiten der HGK- und KD-Dalben geben.

Sind die Dalben alternativlos?

Einen Eindruck von den am Altstadtufer geplanten Dalben vermittelt die Fotomontage oben. Auf den Rheinabschnitt zwischen Deutzer Brücke und Dom entfallen rund zwölf Dalben, zwei pro Anlegestelle. Weil die Schiffe nicht direkt an den Dalben anlegen, müssen sie den Bootsleuten der Schiffe über Stege in Uferhöhe zugänglich sein. Die notwendigen Geländer und ihre Beleuchtung machen die Dalben optisch noch auffälliger. Gibt es zum Bau dieser wuchtigen Pfeiler denn wirklich keine Alternative?

Die bestehenden Festmacher am Ufer zu verstärken, sei »nicht möglich«, teilten Vertreter der Stadtverwaltung Ende 2018 dem Gestaltungsbeirat und städtischen Gremien lapidar mit. Heute räumt Stadtsprecher Baumanns immerhin ein: »Eine Ertüchtigung wäre nur mit einem enormen Aufwand technisch umsetzbar — unter erheb­licher Beeinträchtigung der Nutzung im Uferbereich, also Verkehrsbeeinträchtigungen an der Oberfläche.«

Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner appelliert angesichts der drohenden Dalben-Panoramas, den Aufwand nicht zu scheuen. »Bevor man so etwas macht, müssen alle Alternativen intensiv geprüft werden.«

Die Altstadt als Problem

Das Problem am Rheinauhafen soll sein, dass gleich neben der Rheinpromenade eine riesige Tiefgarage unter der Oberfläche liegt. Das Problem vor einem Teil der Altstadt: Über dem Rheinufer schwebt eine 235 Meter lange »Kragplatte«. Sie ist marode und soll bald erneuert werden — allerdings so, dass sie in Zukunft die Zuglast anlegender Schiffe nicht mehr aushalten kann. Außerdem ist das Ufer laut Baumanns irgendwann mit eisenhaltigen Basaltsteinen verstärkt worden, so dass darunter liegen gebliebene Kriegsbomben nicht mehr so einfach aufgespürt werden können. Was das Problem an den rest­lichen Uferabschnitten ist, wurde nicht mitgeteilt.

Dass bislang kaum über die Dalben berichtet wurde und eine öffentliche Diskussion kaum stattgefunden hat, kommt den Unternehmen HGK und KD sehr gelegen, die die nördlichen Dalben finanzieren und bauen. Der Bau von Dalben ist für beide Unternehmen sowohl die einfachste als auch die preiswerteste Lösung. Bei der KD geht es nicht nur um ein paar Ausflugs- und Partyschiffe aus der Region. Eigentümerin ist das Unternehmen River Advice aus Basel, das die Fahrten von mehreren Dutzend Rheinkreuzfahrtschiffen organisiert — ohne dass dies an den Schiffen äußerlich erkennbar wäre.

Ob es Reaktionen der Stadtpolitiker auf die Pläne gab, geht aus den mittlerweile drei Jahre alten Sitzungsprotokollen nicht hervor. Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt, erinnert sich aber, man habe die Pläne auch ohne eine visuelle Vorstellung zustimmend zur Kenntnis genommen. Er selbst — Inhaber von Sportbootführerscheinen — sagt: »Das ist einfach Klasse. Köln ist eine Stadt am Strom. Macht mal!«