Vorüber gehend geöffnet
In Zeiten geschlossener Museumstore und verriegelter Galerietüren sind sie eine Aussicht: Zwar ist auch Kunst in einem Schaufenster Kunst hinter Glas — aber immerhin, hinter den Scheiben stehen, hängen Originale, in Originalgröße: Tatsachen. Ein Kunstschaufenster ist eingerichtet, um von Außen gesehen zu werden, im Vorübergehen, eine unverbindliche Möglichkeit. Und selbst wenn demnächst alles wieder offen sein sollte, bleibt es eine feine, besondere Sache zwischen anderen Dingen und Undingen.
Versteht man unter einem Schaufenster ein freundliches Angebot für alle, eine von Öffnungszeiten unabhängige Öffnung, eine werbende Möglichkeit des Einblicks, die Gelegenheit für eine lockende Zufallsbegegnung, eine potenzielle Kontaktanbahnung, dann ist zunächst eines bemerkenswert: wie wenig die Kölner Museen auf diese Attraktionen setzen. Verschlossen wie Pharaonengräber sind sie fast ausnahmslos blickdicht. Umso auffallender ist die geradezu exhibitionistische Großzügigkeit des Römisch-Germanischen Museums. Frei ist der Blick von der Domplatte auf Dionysosmosaik und das unbescheidene Poblicius-Grabmal im renovierungsbedingt geschlossenen Bau. Auch das Interimsquartier an der Cäcilienstraße, wo derzeit ein Konzentrat der ausgelagerten Sammlung präsentiert wird, bietet Passant*innen Einblicke: In den klassischen Schaufenstern des Belgischen Hauses ist eine verheißungsvoll-dezente Auswahl unterschiedlicher klassisch-schöner Steinstücke zu sehen.
Eine Klasse für sich sind die Fenster des Antiquariats Buchholz. Gegenwärtig ist es eine literarische Auswahl rund um Henry James, neben Büchern sind auch Filmplakate zu sehen. Mitunter ist dieses Doppelfenster ein zusätzliches Spielfeld der Galerie Buchholz und die ausgewählten Drucksachen aller Art korrespondieren mit der laufenden Ausstellung. Und wo sonst gibt es handkolorierte Papiertheater, seltene Künstler- und Bilderbücher, seltsame Brettspiele oder alte britisch-unsentimentale Weihnachtsgrüße zu bestaunen — ein Unikum, eine erheiternde, anregende, verblüffende Sehenswürdigkeit.
Eigentlich dienen auch die Fensterflächen der Buchhandlung König der schnöden Warenpräsentation. Manchmal aber gibt es ein Freispiel im großen Albertusstraßenfenster, eine Installation, eine Würdigung oder Möbel, Fotografien, Editionen. Und seit Jahresanfang schmückt die Ehrenstraßenseite — Corona sei dank — ein Videoprogramm, dass Franz König und Johannes Post ausgeheckt haben. Es laufen kurze, eher amüsante und skurrile Filme als Loop, sie können mit Büchern zu tun haben, müssen es aber nicht. Ob und was es dort im März zu sehen sein wird, soll sich kurzfristig ergeben, an Ideen fehlt es nicht.
Schräg gegenüber von König befindet sich mit Birgit Laskowskis Zero Fold eine dauerhafte Einrichtung: das Schaufenster als betretbarer Raum mit festen Öffnungszeiten (wenn die Umstände es erlauben). Dieses vitrinenhafte Ladenlokal ist so klein, dass nahezu alles von der Straße aus gesehen werden kann. Alle Ausstellungen berücksichtigen diese spezielle Perspektive. Bis zum 13. März sind die raffiniert vertrackten, scheinbar naiven Bilder von Paul Sochacki zu sehen. Kaum eine Woche später zeigt Christian Aberle seine Arbeiten in diesem Zimmer mit Einsicht. In mancher Hinsicht ähnlich ist das nur wenige Schritte entfernt liegende Fenster der Galerie Gisela Capitain. Seit 2018 dient dieses elegante Kabinett als zusätzlicher, gut sichtbarer Ausstellungsort, der die Blicke der Vorbeikommenden meist auf ein, zwei Arbeiten konzentriert. Aktuell ist es mit Barbara Blooms »Sad Grey Story: Marilyn« bestückt, einem verdeckten Porträt in Form eines skulpturalen Bühnenbildes, rätselhaft und wie für ein Schaufenster gemacht.
Eine der Innenstadt vergleichbare Kunstschaufensterdichte findet sich am Ebertplatz. Die Ausstellungsräume sind bestens von Außen einsehbar und eine echte, reine Schaufensterattraktion dort trägt den wunderlichen Namen ≈ 5 (ehemals 5,26 m3). Fast fünfzig Ausstellungen seit 2014 fanden in zwei zusammen gut fünf Kubikmeter großen, in die Wand eingelassenen Schaufensterkästen statt. Sie dienen nicht als Stellplätze für bereits existierende Werke, vielmehr werden sie mit sorgfältig arrangierten Sonderanfertigungen bespielt. Den März über sind Nicolas Pelzers »Nervous Pickers« dort zu sehen, etwas, das einmal Zahnstocher waren. Nicht zuletzt sind Schaufenster Orte der Vergrößerung.
Römisch-Germanisches Museum, Roncalliplatz 4 + Cäcilienstraße 46
Antiquariat Galerie Buchholz, Neven-DuMont-Straße 17, antiquariat-buchholz.de
Buchhandlung Walther König, Ecke Ehrenstraße/Albertusstraße
Zero Fold, Albertusstraße 4, zerofold.de
Galerie Gisela Capitain, Albertusstraße 9–11