Präzise Organisatorin, solide Theoretikerin: Elisabeth Jappe bei der Arbeit, Foto: Pietro Pellini

Dem Flüchtigen einen Raum geben

Ein Nachruf auf Elisabeth Jappe und die große Zeit der Performance in der Moltkerei Werkstatt

Lieba, so nannten sie viele, war eine häufig unterschätzte Prota­gonistin der florierender Kunstszene Kölns in den 80er- und 90er Jahren. Ähnlich wie bei ihrem Kollegen Ingo Kümmel wurde Liebas internationale Vernetzung, ihr kuratorisches Wirken — nicht nur in der Performancekunst — eher am Rande wahr­genommen, zumal die performative Kunstgattung seinerzeit wenig populär war. Sie wurde schnell als zu elitär, vielleicht auch als zu anarchisch angesehen. Die Kölner Ausstellungslandschaft feierte in jenen Jahren die Malerei, insbesondere die wilde. Elisabeth Jappe aber, so der bürgerliche Name der in Frankreich geborenen und in den Niederlanden aufgewachsenen Kuratorin, verfolgte eigene Interessen.

Wer ihren vollständigen Namen googelt, stößt schnell auf den des 2007 verstorbenen Georg Jappe. Er war als Publizist in der deutschen Fachwelt zunächst präsenter als seine Frau. Dabei startete Elisabeth Jappe, wegen ihres enormen Engagements und einer entsprechenden Mobilität besonders international geschätzt, 1981 eine bedeutende Plattform für Performance und Klangkunst: die »Moltkerei Werkstatt«. Auch Mitbegründer Dietmar Schneider, mit seinen »Kölner Skizzen« ein wichtiger Chronist der Kölner Kunstgeschichte, bewundert rückblickend Jappes enorme »Zielstrebigkeit«.

Die Moltkerei, wie sie kurz genannt wird, ist noch heute in einem Hinterhof an der namensgebenden Moltkestraße am Rande des belgischen Viertels etabliert und wurde in den 80er Jahren bald ein vom erweiterten Beuys’schen Kunstbegriff inspirierter Insidertipp. Andy Warhols Experimentalfilm »Kitchen« (1965) oder das auf Aktionskunst spezialisierte De Appel in Amsterdam waren denn auch für Jappe Vorbilder, wie sie im Katalog über ihre Moltkerei-Jahre schreibt. Klar waren ihre Vorstellungen, so lässt sie in ihrer tagebuchartigen Chronik rückblickend wissen, als sie die Leitung des Raumes 1994 an den für seine Stolpersteine bekannten Künstler Gunter Demnig weitergab: »Unsere Initiative wird einen eigenen Charakter bekommen.«. Der Raum sollte eine experimentelle Werkstatt für Performance und Workshops sein. Dies ist er bis heute geblieben, aktuell unter der Leitung von Christian Merscheid im Verbund mit jungen Gastkurator*innen.

Die Liste der zu Jappes Zeit in der Moltkerei auftretenden Küns­tler*innen ist beachtlich. Ein Jahr nach ihrer Gründung sitzen dort Marina Abramović und Ulay fünf Tage lang Dauerperformance. Der österreichische Medientheoretiker und Aktionskünstler Peter Weibel bringt 1983 für seine Installation »Der elektrische Krieg« eine lebendige Schlange mit; von dem Australier Jeffrey Shaw gab es Medienutopien, und weitere internationale Auftritte aus den Niederlanden oder osteuropäischen Ländern folgten. Zu erinnern sind Veran­staltungen des Performance-Archivhüters und Installationskünstlers Boris Nieslony, Workshops mit Kindern und Kunst­studenten, die »Karneval Alternativ«- Feste. In den späten Jahren bekamen die Frauen mehr Raum, etwa Angie Hiesl mit ihren legendären Stadtrauminterventionen oder die Kölner Fotografin Bettina Gruber in der Reihe »ELF«, die 1990 dank der damals noch üppigeren Unterstützung des städtischen ­Kulturamtes ausschließlich Künstlerinnen vorstellte.

»Ein Glücksfall, wenn die ­präzise Organisatorin auch noch eine Historikerin mit Maßstäben und eine solide Theoretikerin ist«, schreibt Manfred Schneckenburger über Lieba in seinem Vorwort des erwähnten Katalogs. Unter ihrer Leitung sei einer der »seltenen, sehr seltenen authentischen Orte für Kunst«, ein »Laboratorium für das katalytische Amalgam Fluxus und das Elixier (nicht die Droge) Beuys« entstanden, das »Sauerstoffschübe für die Kunst« pro­duziert hat. Elisabeth Jappe sorgte schließlich 1987 auf der von Schneckenburger kuratierten documenta 8 mit »Expanded Performance« dafür, dass Theater und Performance erstmalig in der Geschichte des Kasseler Spektakels einen ­prominenten Patz erhielten. Aus dem Moltkerei-Programm waren Ulrike Rosenbach, die US-Performerin Nan Hoover oder der japa­nische Klangkunst­pionier Akio Suzuki dabei.

Liebas Arbeit auf Performance zu reduzieren werde ihr nicht gerecht, meint der Kölner Klangkunst-Kurator Georg Dietzler, der sie als eine seiner Förderinnen bezeichnet. Jappe präsentierte auch Klangkunst und Werke zu dem damals gerade populär werdenden neuen Kunst-Thema Ökologie. Letzteres dokumentiert das Handbuch »Ressource Kunst«, herausgegeben von Georg Jappe — mit etlichen Künstler*innen aus der Moltkerei-Werkstatt. Am 22. Januar ist Elisabeth Jappe nun mit 86 Jahren in Köln gestorben.

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