Gespiegelter Zweifel
Der Maler und Künstler Gerhard Richter darf wohl als Bildskeptiker bezeichnet werden. Aus der Reibung zwischen Bild und Zweifel bezieht sein Werk einen beträchtlichen Teil seiner Brisanz und Brillanz. Die Frage, was (gemalte) Bilder leisten, was sie zeigen können und was nicht, was sich überhaupt erkennen lässt, sind zentrale Themen seines fast sechs Jahrzehnte umfassenden Werks.
Diese Auseinandersetzung mit Sichtbarkeit, mit Illusion — in einer Notiz bezeichnet Richter 1989 »Anschein« als sein »Lebensthema« — führt folgerichtig zur Beschäftigung mit Gläsern und (farbigen) Spiegeln. Eines dieser Reflexionsstücke ist seit Mai 2020 in der Kirche und Kunst-Station Sankt Peter zu sehen. War es bis November das Auftaktwerk der Reihe »Replace Rubens«, so ist es jetzt »bis auf Weiteres«, wie es offiziell heißt, als »Leihgabe aus Privatbesitz« dort an der von Richter festgelegten Stelle zu sehen. »Grauer Spiegel« heißt die 2018 aus farbig beschichtetem Glas bestehende, mehr als zwei Meter im Quadrat messende Arbeit. Durch sein dunkles Grau ist dieser Spiegel nicht mehr ganz Spiegel, er färbt, tönt, verfremdet und entzieht, was sich in ihm, auf ihm zeigt, markiert eine Distanz zum bestätigenden Spiegelbild. Ein monochromes Bild ist es auch nicht. Was zu sehen ist, bewegt sich zwischen Bild und Abbild, weckt Erinnerungen an die Malereien Richters und ist doch ein Bild-Ding eigener Art.
Spiegel sind seltsame Gegenstände, sind sie selbst doch unsichtbar. Was zu erkennen ist, sind wandelbare Spiegelbilder, die endlos und perfekt an der Oberfläche dieses bildgebenden Gegenstands erscheinen. Der Spiegel selbst verschwindet, indem er Bilder entstehen lässt. Meinungs- und absichtslos, in kühler Objektivität zeigt er eine leere Fülle, zeigt vermeintlich, was der Fall ist. Zeigt zufällige Bilder ohne selbst ein stabiles Bild zu sein. Eigentlich ist der Spiegel ein Instrument der Selbstvergewisserung. Bei näherem, längerem Hinsehen aber wird das dort Sichtbare irritierend, zweifelhaft, anscheinend.
Mit dem »Grauen Spiegel« befindet sich ein zweites bedeutendes Licht-Bild-Werk Richters in einer Kölner Kirche, sein Domfenster hat ein vergleichsweise kleines, aber bedeutendes Gegenstück bekommen. Dass dieser Spiegel »bis auf Weiteres« Zweifel sähen darf spricht für Sankt Peter als Kunst-Station und Kirche.
Kunst-Station Sankt Peter, Jabachstr. 1, Mi–So 12–18 Uhr. Die »Replace Rubens«-Reihe wird fortgesetzt mit Liam Gillick (ab 16.4.)