Über Kontinente hinweg
Das »Gute« an der Pandemie sei, dass sie eine Welle der Kreativität freisetze, schreibt Gerhardt Haag in seinem, dem Programm vorausgeschickten Grußwort. Er ist Künstlerischer Leiter des arfricologne Festivals, das seit 2011 in Köln stattfindet, eine Plattform für den künstlerischen Austausch in einem afroeuropäischen Netzwerk. Und genau dieser Aspekt macht diese »Welle der Kreativität«, die in den Künsten gerade allzu häufig beschworen wird, hier so spannend: Beim africologne Festival bricht sie sich über Kontinente und verschiedene Zeitzonen hinweg Bahn. Denn die eingeladenen Künstler*innen leben in Burkina Faso, im Kongo, in Uganda.
Über das Internet haben sie sich auch während der Pandemie vernetzt, haben Proben bei Zoom gemacht, Webinare abgehalten, Veranstaltungen gestreamt. Und doch stellten sich im Vorfeld des Festivals schwierige Fragen: »Bekommen die afrikanischen Künstler*innen überhaupt noch ein Visum oder einen Termin in den Botschaften zur Visumsbeantragung? Welche Quarantäne-Verordnung gilt für wen und von woher kommend?« Der thematische Fokus in diesem Jahr lautet passenderweise: »Macht. Bewegung. Demokratie«, dem sich in einem ganztägigen Dialogforum Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Leader sozialer Bewegungen und Forscher*innen zuwenden.
Und doch liegt die konkrete Lösung zunächst im Digitalen: Alle Veranstaltungen, die das Festival zeigt, werden gestreamt, teils zu 100 Prozent, teils als hybride Form mit Präsenzveranstaltungen in Köln. Auf dem Programm steht etwa die Musiktheaterproduktion »Das Perlhuhnsyndrom« des burkinischen Rappers und Aktivisten Smockey, das in Kooperation mit dem Schauspiel Köln gestreamt wird. 2014 wurde Smockey zu einem der führenden Köpfe des Aufstands gegen den Langzeitdiktator Compaorè, in seinem Stück verarbeitet er die Erfahrungen, die er in dieser Zeit in der Bürger*innenbewegung »Le balai citoyen« gemacht hat.
Für das Stück »Die Natur des Gesetzes« nimmt der kongolesische Lyriker Sinzo Aanza den gesundheitlichen Ausnahmezustand in der Corona-Krise als Ausgangspunkt: Tatsächlich wurde das Geschäftszentrum von Kinshasa vom Rest der Stadt isoliert und abgeschottet, ein »Kern von großer Ordnung« lag dort, während darum herum chaotische Zustände herrschten. Reiche und Mächtige zuerst, hieß die Devise — und blickt man auf die Welt, so ist das, was das africologne Festival innerhalb von zehn Tagen kritisch reflektiert, wohl der postkoloniale Zustand, den es noch immer zu beenden gilt.
28.5.–6.6.
africologne-festival.de