»Gute Mischung entschärft vieles«
Frau Offergeld, was ist eigentlich ein Platz?
Ein Platz ist ein Teil des öffentlichen Raums, aber mehr als nur ein Ort, der frei zugänglich ist, sondern er hat einen übergeordneten Wert an sich. Er ist ein kollektives Gut unserer Gesellschaft. Dort finden gesellschaftliches Leben, Demokratie, Diskussionen und Austausch statt. Auf einem Platz kommen wir aus unserem privaten Umfeld heraus und werden Gemeinschaft.
Was macht einen guten Platz aus?
Man hat ein gewisses Gefühl, wenn man auf einen Platz kommt, ein Gespür dafür, ob er funktioniert. Vielleicht lädt er mich ein, dort zu verweilen. Ich will mich hinsetzen, ein wenig Basketball spielen, was trinken, mein Brot essen, mich erholen. Ich kann dort in Austausch treten und mich mit meinen Freunden treffen. Die Definition eines guten Platzes kann sehr unterschiedlich sein, und Ansprüche sind nicht an alle Plätze gleich. Vielleicht finde ich auch einen Platz gut, weil er mir ermöglicht, schnell von dort an andere Ecken der Stadt zu kommen und ich U-Bahn- und Bushaltestellen finde oder es dort Leihräder gibt. Oder der Platz vereint viele Funktionen: Ich kann ein Paket abholen, etwas einkaufen und einen Kaffee trinken. Ein Platz ist in jedem Fall gut, wenn er die Identifikation mit meiner Stadt und meine Lebensqualität verbessert.
Wie findet man denn heraus, welche Anforderungen Menschen an einen Platz haben können?
Ein zentrale Aufgabe von Stadtplanung ist Kommunikation. Bevor wir planen, müssen wir herausfinden, ob und wie ein Platz funktioniert und welche Talente der Platz hat. Da geht es darum, zuzuhören. Wir Planende übersetzen Wünsche und Bedürfnisse aus der Zivilgesellschaft und verknüpfen diese mit planerischem Fachwissen und Positionen aus Verwaltung und Ökonomie. Eine Stadtverwaltung hat ja auch bestimmte Anforderungen, zum Beispiel sollte ein Platz neben guter Aufenthaltsqualität auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir machen dann eine Analyse und versuchen, mit den Expert*innen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Dafür gibt es partizipative Methoden, zum Beispiel kann man Ideen gemeinsam durch Modelle oder Skizzen visualisieren. Oft arbeiten wir auch mit Prototypen. Wenn zum Beispiel überlegt wird, einen Platz auch für Sport zu nutzen, stellen wir dort für ein paar Wochen Sportgeräte auf, bauen gemeinsam eine Bühne oder eine Aussichtsplattform. Über das gemeinsame Ausprobieren kommt man in die Diskussion und bekommt die Chance, Fachexpertise mit lokalem Wissen zusammenzubringen. Das Testen von Nutzungen zieht vielleicht auch noch andere mögliche zukünftige Nutzer*innen an. Und man kann schauen: Funktioniert das hier, an diesem Platz? Welche Nutzungen harmonieren?
So lässt sich ein bekannter Platz mit anderen Augen sehen und neue Möglichkeiten entstehen.
Modelle und Prototypen können auch Erwartungen wecken, die enttäuscht werden, wenn der Platz fertig ist. Das hört man etwa beim Pariser Platz in Chorweiler, an dem Ihr Büro ja auch beteiligt war.
Es ist oft so, dass bei einer Platzumgestaltung alle Bedürfnisse an den öffentlichen Raum auf diesen einen Platz projiziert werden. Wichtig ist daher, klar zu kommunizieren, was realistisch ist und was der Platz leisten oder eben nicht leisten kann. Ein Platz ist Teil eines städtischen Gesamtgefüges, und er hat unterschiedliche Begabungen und Aufgaben. Manche Plätze eignen sich gut für Aufenthalt, Sport, Erholung. Andere sind eher Transitplätze oder müssen als Teil des städtischen Gesamtgefüges andere Funktionen übernehmen.
Da fällt mir der Barbarossaplatz ein, der nur zum Umsteigen dient. Aber auch diese Funktion erfüllt er nicht gut. Man verpasst oft die Bahn, weil man die Straße nicht überqueren kann.
Vielleicht braucht man dort zuerst ein gutes Leitsystem, bessere Querungen, und keine neuen Bänke. Vielleicht geht es eher darum, die Prioritäten der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer*innen zu diskutieren und über neue Mobilitätsformen und Multimodalität ins Gespräch zu kommen. Grundsätzlich stellt sich in jedem Fall die Frage, welche Funktion die städtischen Plätze beim Thema Klimaschutz und Überhitzung der Städte übernehmen können. Da müssen Plätze ebenfalls einen Beitrag leisten.
Welche Rolle spielen Plätze bei der Bewältigung des Klimawandels in den Städten? Eine große und immer wichtiger werdende Rolle. Bei den Kölner Plätzen haben wir, wie in vielen Städten, einen hohen Grad der Versiegelung. Deshalb sollte die Entsiegelung Priorität haben. Wir brauchen dringend mehr entsiegelte Flächen, um zum Beispiel mit Starkregen besser umgehen zu können. Auch für die Kühlung könnten Plätze eine wichtige Rolle einnehmen, etwa durch offene Wasserflächen. Und dann ist ein Platz nicht nur Aufenthaltsraum für Menschen, sondern auch Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Bäume spenden nicht nur Schatten und filtern die Luft, sondern binden auch Wasser wie ein Schwamm, um es bei Hitze wieder abzugeben und Transpirationskühlung zu erzeugen.
Welche Institutionen außer den Nutzer*innen spielen denn noch mit hinein, wenn man einen Platz plant?
Der öffentliche Raum, besonders in dichter werdenden Städten, ist hart umkämpft. Bei der Planung sollten im Idealfall die zukünftigen Nutzer*innen im Vordergrund stehen.
Die Verwaltung hat Interessen und Anforderungen an den Platz. Es gibt vielleicht Anwohner*innen oder Geschäftsleute, die bestimmte Bedürfnisse haben, beispielsweise Flächen für die Gastronomie. Oder den Wunsch, dort Veranstaltungen zu machen. Immer wieder zu harten Diskussionen führt auch die Parkraumproblematik. Diese Interessensgruppen sollten in einen fairen und partizipativen Prozess der Aushandlung um den öffentlichen Raum kommen.
Aber wie verhindert man, dass sich in diesem Prozess diejenigen durchsetzen, die besser vernetzt sind oder die mehr Geld haben? Oder dass Verwaltung oder Polizei mit ihren Interessen den Prozess dominieren?
Der erste Ansatz ist, dass man nicht mit fertigen »Lösungen« in einen Planungsprozess geht, sondern versucht, gemeinsam ein gutes Stück Stadt unter fairer Einbindung der verschiedensten Akteure zu entwickeln. Dabei muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass es ein übergeordnetes Interesse aller Beteiligten gibt, lebenswerte Räume zu gestalten, die nachhaltig sind und zu einem guten und gesunden Leben in der Stadt beitragen. Klar, kann es auch individuelle Interessen mit starker Lobby geben, aber dieses übergeordnete Interesse sollte im Vordergrund stehen. Um dies sicher zu stellen, ist auch die planerische Fachexpertise notwendig, die eine gewisse Neutralität, ein Gespür für die Sache sicherstellt und das übergeordnete Ziel im Auge behalten sollte. Planende sind so Moderator*innen und Expert*innen zugleich.
Viele Konflikte treten erst nach der Planungsphase auf. Am Ebertplatz sind Dealer und Alkoholkranke vielen ein Dorn im Auge, am Wiener Platz die Drogenszene. Aber auch Süchtige haben ein Recht auf den öffentlichen Raum. Wie kann man solche Konflikte entschärfen?
Ganz werden sich solche Konflikte nicht vermeiden lassen. Es ist immer schwierig, wenn eine bestimmte Gruppe einen Platz dominiert. Aber die Erfahrung zeigt, dass ein Raum sehr viel aushalten kann, wenn es dort eine lebendige Mischung an Nutzer*innen gibt. Und dann kommt es auch darauf an, ob die Stadt diese schwierigen Räume begleitet, wie wir das beispielsweise am Ebertplatz erleben. Das wird man sicher nicht bei allen Kölner Plätzen in dem Maße machen können. Aber man kann von den Ansätzen lernen, und manche Plätze benötigen vielleicht eine intensivere Betreuung als andere, um Konflikte zu vermeiden.
Wäre es denn denkbar, dass man so etwas schon in der Planung berücksichtigt?
Eine gute Planung im Vorfeld kann solchen Konflikten sicherlich die Spitzen nehmen, etwa durch gute Wegeführung, clevere Lichtkonzepte oder intelligente Nutzungsmischungen. Und ja, wir könnten auch Plätze designen, die keine Ecken haben, in denen Drogen oder Alkohol konsumiert werden können. Aber damit verlagert sich das Problem nur, denn es ist Teil unserer Stadt und unserer Gesellschaft. Ich glaube, man kann und sollte dieses Phänomen nicht in eine Ecke drängen oder anders separieren. Eine gute Mischung entschärft sehr vieles.