Analog ist besser
»Am Anfang war schon noch Sand im Getriebe, es fehlte plötzlich Routine«, sagt Tomas Pollmann, der die Hängenden Gärten von Ehrenfeld betreibt. Die Bar liegt an der Vogelsanger Straße, direkt an der Ecke zur Keplerstraße. »Ich mach das schon elf Jahre«, sagt Pollmann. »Aber es fühlte sich nach sieben Monaten Shutdown völlig neu an!« In der ersten Woche seien immer alle Tische vor der Tür sofort belegt gewesen. Auch drinnen an der Bar darf man wieder sitzen, aber noch blieben die Gäste lieber draußen sitzen. »Vielleicht sind die Leute noch vorsichtig«, sagt Pollmann. »Aber es kann auch am Sommer liegen, da ist es drinnen ja nie voll.«
Pollmann freut sich über die Wiedereröffnung, aber auch darüber, dass ihm sein Team erhalten geblieben ist. Viele Gastronomen suchen jetzt, nach Monaten des Shutdowns, Servicekräfte. Froh und erstaunt ist Pollmann auch über die Unterstützung durch seine Gäste während des Shutdowns. Den Kontakt zu ihnen hielt er online. »Bei dem Format ›Die pixeligen Gärten‹ haben wir zusammen gekocht, oder man konnte wie früher in Second Life virtuell die Hängende Gärten besuchen«. Allerdings sagt Pollmann auch, dass er diese Ideen nicht weiterführen werde. »Ich bin doch froh, endlich wieder richtig Gäste empfangen zu können! Das ist durch nichts zu ersetzen.«
Es fühlte sich nach sieben Monaten Shutdown völlig neu an Tomas Pollmann
So sieht es auch Valentine Mühlberger. Die Wein-Expertin betreibt seit 2018 die Weinbar Rix am Friesenwall. Das Lokal hat nur wenige Plätze, aber ein treues Publikum. Von der Unterstützung während des Shutdowns ist Mühlberger noch immer beeindruckt: »Die Solidarität war wirklich riesig. Auch noch jetzt, wo ich wieder öffnen kann, merke ich das am Trinkgeld.« Während der Schließung hat Mühlberger unter anderem Online-Weinseminare angeboten. Die Stammkundschaft, sagt Mühlberger, sei dadurch sogar miteinander in Austausch getreten. »Überhaupt hat es ja auch positive Effekte durch die Schließungen gegeben«, sagt Mühlberger. So habe sie Zeit gefunden, einen Online-Shop zu konzipieren — aber auch eine Kooperation mit der benachbarten Pizzeria Da Luigi gehöre dazu. »Ich kann dort meine Weine anbieten, und meine Gäste können bei mir im Gegenzug Pizza essen — das ist doch charmant.« Allerdings: Zwar komme die Kundschaft zurück, sagt Mühlberger, aber es fehlten jene Gäste, die einfach kurz mal vor dem Kinobesuch oder anschließend vorbeikommen. »Dass die großen Veranstaltungen noch nicht stattfinden, das merke ich.« Auch träfen die Corona-Auflagen einen kleinen Betrieb wie die Bar Rix härter. »Bei mir sieht es dann schnell leer aus, und die wenigsten gehen gern in eine leere Weinbar.« Ein paar Tische darf Valentine Mühlberger vor ihrem Lokal aufstellen, sie hatte gehofft, dass die Stadt mehr zulassen würde.
Auch die Terrassenplätze des Sterne-Restaurants Maibeck in der Altstadt sind schnell besetzt. »Am Anfang war es ungewohnt, wir mussten in den ersten Tagen erst mal wieder in den Flow kommen«, sagt Jan Maier, der mit seinem Geschäftspartner Tobias Becker kocht und das Restaurant leitet. Die beiden haben während der Schließung auch Ideen entwickelt. Dazu gehört neben einem Feinkost-Online-Shop die Möglichkeit, im Maibeck eine Koch-Box zu bestellen und abzuholen. Beides sei gut angenommen worden, sagt Maier. »Aber wir müssen schauen, was wir davon weiterführen können und ob sich das lohnt.« Es gebe zudem ein anderes Problem: »Viele Gäste denken, dass mit dem Ende des Shutdowns auch die zusätzlichen Angebote wegfallen würden — die Konzepte sind offenbar im Bewusstsein der Gäste mit der Pandemie verknüpft.« Etwas anderes, das in der Pandemie aufkam, möchte Maier lieber nicht mehr haben: »Wir wollen auf Dauer keine digitalen Reservierungen mehr, man braucht das persönliche Gespräch am Telefon. Und dann tragen wir mit Stift in unser Buch ein, da kann man dann auch mal spontan umdisponieren und etwas möglich machen.«
Jan Maier und Tobias Becker freuen sich wie alle anderen, wieder Gäste bewirten zu können — und das beginnt im Maibeck eben schon bei der Reservierung. »Essengehen und Gastgeber sein, das hat alles einen ganz eigenen Zauber«, sagt Maier. »Aber oft bemerkt man so etwas ja erst, wenn es nicht mehr da ist.«
Tomas Pollmann von den Hängenden Gärten in Ehrenfeld sagt, in der Krise hätten alle gemerkt, wie wichtig Kneipen und Bars für das soziale Leben seien. Und noch etwas Gutes habe die Krise bewirkt: Er sei in Kontakt mit anderen Gastronomen gekommen, man habe sich ja immer wieder ausgetauscht. »Und ich habe richtig Lust auf deren Läden bekommen.«