Die Strukturen sind schuld
Die schlechte Nachricht traf im März ein. Für die Kölner Bühnen hatte der Geschäftsführende Direktor Patrick Wasserbauer 15 Mio. Euro bei der Bremer Privatbank Greensill angelegt, obwohl deren Rating herabgestuft worden war. Nun war die Bank pleite und das Geld verloren (siehe Stadtrevue 5/2021). Denn anders als Privatkunden sind kommunale Eigenbetriebe wie die Bühnen nicht abgesichert. Das hatte die NRW-Landesregierung schon Ende 2017 mitgeteilt. Kommunen sollten Geld deswegen nur bei Sparkassen oder der NRW-Bank anlegen. Die Stadt Köln änderte ihre Anlagerichtlinien — aber ihre Eigenbetriebe haben gar keine Richtlinien.
Noch Anfang 2021 legte Wasserbauer 64,5 Mio. Euro in kurzfristigen Kapitalanlagen bei Privatbanken an, neben Greensill unter anderem auch bei der Bank of China und einer deutschen Tochter der türkischen İşbank.
Die Vorgänge ließ Stadtkämmerin Dörte Diemert im März umgehend untersuchen. Nun legte sie Mitte Juni dem Finanz- und dem Rechnungsprüfungsausschuss zwei interne Gutachten vor: eine juristische Einschätzung der Kanzlei Luther sowie eine der Wirtschaftsprüfer von BDO, beide ansässig in Köln. In einer ebenfalls nicht-öffentlichen Mitteilung, die der Stadtrevue vorliegt, erläuterte Diemert die Ergebnisse.
Die Kanzlei Luther hat in ihren Untersuchungen bei den Bühnen »weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter« feststellen können. Die Kanzlei rät daher ab, hier Ansprüche auf Schadensersatz geltend zu machen. Somit hat nun auch der Geschäftsführende Direktor der Bühnen, Patrick Wasserbauer nichts zu befürchten — anders als womöglich die Kölner Finanzberatung ICFB, die Wasserbauer bei den Anlagen beraten hat. Das Luther-Gutachten sehe hier nämlich Chancen, dass ICFB für den gesamten Schaden haften müsse, »da die Beratung nicht anlage- und/oder objektgerecht erfolgt sein dürfte«, so Diemert.
Die Kämmerei will noch vor der Sommerpause »Liquiditätsrichtlinien, Reportingformate und Verfahrensvorgaben« mit den Bühnen abstimmen, dazu gehört auch ein internes Kontroll- sowie Compliance-Management-System. All das gab es bei den Bühnen nicht.
Patrick Wasserbauer hat anscheinend nach Gutdünken und im Vertrauen auf die Berater von ICFB gehandelt. Die Strukturen waren verantwortlich, so die vorherrschende Meinung im Rathaus nach den Gutachten.
»Es ist ja auch kein Desaster, was Köln exklusiv hat wie in anderen Fällen«, so Jörg Detjen von der Linken. Für den Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses ist klar, dass nun in einer Anlagerichtlinie festgeschrieben werden müsse, dass die städtischen Eigenbetriebe nur noch bei öffentlichen Banken Geld anlegen dürften. Zu den Untersuchungen sagt Detjen: »Das machen Kämmerei und Rechnungsprüfungsamt richtig gut.« Für ihn ist dadurch klar: Auch wenn es persönliche Fehlentscheidungen bei den Bühnen gegeben habe, müsse es vor allem darum gehen, die »systemischen Probleme aufzuarbeiten«, die dazu geführt haben.
»Ich halte nichts von fingerpointing in diesem Fall«, sagt auch Sandra Schneeloch, finanzpolitische Sprecherin der Grünen und Mitglied des Finanzausschusses. »Die Kämmerin hat die Aufklärung äußerst detailliert betrieben, damit bin ich sehr zufrieden«. Auch Schneeloch erwartet, dass bis Ende des Jahres eine verbindliche Regelung für eine Anlagerichtlinie der Eigenbetriebe der Stadt gefunden sein werde, um künftig solche Desaster zu vermeiden. Allerdings: Dass Eigenbetriebe der Stadt ausschließlich bei öffentlichen Banken Geld anlegen sollten, wie es Jörg Detjen fordert, findet Schneeloch nicht. »Wir brauchen eine Bankenstrategie«, sagt sie. Auch, dass Wasserbauer Einlagen bei deutschen Niederlassungen türkischer und chinesischer Banken tätigte, sieht Schneeloch nicht als grundsätzliches Problem. »Bei der Risikoeinschätzung kommt es immer auf die jeweilige Bank an.« Ethische Fragen sollten neben einer klugen Anlagestrategie aber zusätzlich entscheidend sein, so Schneeloch, die selbst als Finanzberaterin für eine Privatbank tätig war.
Hoffnung, dass die 15 Mio. Euro für Köln doch nicht verloren sind, macht der Politik und der Stadtverwaltung auch der Insolvenzverwalter. Es bestünden »gute Chancen, erhebliche Werte der Insolvenzmasse zuzuführen«, ein völliger Verlust der bei Greensill angelegten 15 Mio. Euro wäre dadurch verhindert, so Kämmerin Diemert. Aber man muss sich gedulden. Die Dauer des Insolvenzverfahrens wird auf bis zu zehn Jahre geschätzt.