Kollektive Intendanz: Besetzung der Berliner Volksbühne 2017, Foto: Jason Krüger

»Patriarchendämmerung«

Wie können alternative Führungsmodelle am Theater aussehen?

Die Theaterwelt debattiert über feudale Zustände, und es gibt immer neue Skandale. In Karlsruhe trennte man sich im November 2020 von Intendant Peter Spuhler, der cholerisch seine Mitarbei­ter*innen drangsaliert haben soll. Im März 2021 musste Klaus Dörr nach Seximus-Vorwürfen die Berliner Volksbühne verlassen. Einige Wochen später warfen Mitarbei­ter*innen des Maxim Gorki Theaters, auch ehemalige, der Intendantin Shermin Langhoff verbale und körperliche Übergriffe vor. Und in Düsseldorf? Nachdem Schauspieler Ron Iyamu berichtet hatte, er sei mehrfach von einem Regisseur rassistisch beleidigt worden, bat Intendant Wilfried Schulz öffentlich um Entschuldigung.

»Es liegt eine feine Ironie darin, dass ausgerechnet das Theater, das die Formen und Deformationen von Macht auf der Bühne bis ins Kleinste durch dekliniert, hinter der Bühne einen autoritären Machtbegriff konserviert«, schreiben Christian Koch und Hartmut Welscher in ihrem Aufsatz »Patriarchendämmerung«. Erschienen ist er im Sammelband »Theater und Macht«, das die Heinrich-Böll-Stiftung mit nachtkritik.de veröffentlicht hat. 160 Seiten, geeint in der Kritik am Führungsstil des Theaters, an der »Intendanzherrschaft als letzten Bastion des praktizierten Feudalismus«, wie der Journalist Hellmuth Karasek schon 1980 schrieb. Geeint aber auch in der Suche nach alternativen Modellen für das Stadttheater. Doch wie können die aussehen?

Lösungen gibt es noch nicht. Wohl aber Versuche, neue Wege zu gehen. Wie etwa am Theater Basel, wo man seit der Spielzeit 2020/2021 eine Vierer-Leitung zu etablieren versucht. Das Leitungsteam setzt sich dort aus zwei Dramaturginnen, einem Regisseur und einem Schauspieler zusammen, alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Es sei der »Beginn eines langen Lernprozesses«, sagt Jörg Pohl im Interview, ein Experiment der »angewandten Freiheit«. Schließlich geht es bei derartigen Veränderungen nicht um kosmetische Korrekturen, sondern um tiefgreifende, nachhaltige Versuche der Selbstorganisation. Und die hat das Theater, durch dessen Flure noch immer der Genie-Geist weht, dieser Zampano, der seine Launen auslebt, dringend nötig.