Der Gangster im Rap
Spätestens seitdem die #Metoo-Debatte auch im Deutschrap Fahrt aufgenommen hat, ist es an der Zeit, sich über die bestehenden Machtverhältnisse zu unterhalten, die sich in sexistischen, queer- und frauenfeindlichen, antisemitischen und homophoben Inhalten manifestieren. Tim Mrosek, mit dem Kölner Theaterpreis 2019 ausgezeichneter Regisseur, entwirft mit »Dreckstück« eine Performance, die sich der Thematik in all ihrer Komplexität annimmt. Im Gespräch offenbart Mrosek seine Hassliebe zum Deutschrap, die Musik begleitet ihn schon seit seinem zwölften Lebensjahr: »Ich bin mit Rap groß geworden. Das hat mich auf eine gewisse Art geprägt.«
Auf der Bühne hantiert Tim Mrosek mit unterschiedlichen Genres, irgendwo zwischen Theaterperformance, politischem Kabarett und Comedy. Zwei Zugänge spielen dabei eine Rolle: Zum einen die private Perspektive, nämlich der persönliche Bezug von Tim Mrosek zum Rap. Zum anderen eine akademisch geprägte Debattenkultur. Die sprachwissenschaftliche Recherche führt auch zu Forschenden an der Uni Bielefeld, die den expliziten Antisemitismus im Gangsta-Rap und die Auswirkungen auf die Jugendkultur untersuchen. Dieser Austausch und Wissenstransfer aus verschiedenen Disziplinen spiegeln sich im Stück wider.
Tim Mrosek verweist im Gespräch darauf, dass Rap kein isoliertes Phänomen sei. Auch in anderen Musikrichtungen wird Sexismus vermarktet, man müsse sich nur mal ein klassisches Album der Rolling Stones anhören oder kurz an die Schlagerwelt denken. Solange die mächtigen Plattenfirmen mit menschenverachtenden Inhalten Geld verdienen, solange wird sich die Maschinerie weiterdrehen.
Das führt auch zu der kontroversen Frage: Wie sieht es mit der Trennung von Künstler*in und Werk aus? Mrosek verweist auf Bushido, der in der Szene seine eigentliche Identität verheimlicht hat, um sein Image als Gangster aufrechtzuerhalten: »Wo fängt die Kunstfigur an und wo hört sie auf? Bei Bushido war das so: Ein großer Teil seines Erfolges hat damit zu tun, dass eine absolute Identifikation zwischen Privatperson und Kunstfigur stattgefunden hat. Und die löst sich gerade sehr öffentlichkeitswirksam auf.« Was man bei all der Kritik nicht vergessen darf: Gerade bei jungen Menschen wirkt Rap identitätsstiftend und empowernd. Tim Mrosek spricht in diesem Sinne von einem Umdenken. Womöglich verschieben sich die Dynamiken, angefeuert durch das Netz, womöglich wird die öffentliche Wahrnehmung weiter geschärft und ein Bewusstsein entsteht, wie man die menschenverachtenden Strukturen an der Wurzel packen kann.
Orangerie Theater
16. (P)–18.9., 20 Uhr
19.9., 18 Uhr