»Die Unbeugsamen«
Es ist immer problematisch, »den Frauen« den Anspruch aufzubürden, es bitteschön besser zu machen als »die Männer«, wenn sie denn schon an die Macht wollen. Folgt man Torsten Körners (»Schwarze Adler«) Dokumentarfilm »Die Unbeugsamen« und seinem parallel entstandenen Buch »In der Männerrepublik«, kommt man aber kaum umhin zuzugestehen, dass es in der deutschen Politik einige Frauen tatsächlich besser machten als viele Männer.
Beispiel: Christos Reichstagsverhüllung 1996. Zu verdanken haben wir diese kollektive Glitzer-Erinnerung Rita Süssmuth, der »gefühlt ersten Bundeskanzlerin« (Körner). Kohl und Schäuble fürchteten die Überforderung des aktuellen Wahlvolks, Süssmuth erkannte »ein Moment der Freiheit«. Und setzte sich durch — mit einem Charisma, das laut Körner »nicht unterwerfend«, sondern von »verständlicher Intellektualität« geprägt sei.
Süssmuth und Charisma? Eine der vielen so erstaunlichen Entdeckungen aus Körners Film (und Buch): dass wir viele prägende Politikerinnen, falls überhaupt, nur unter gewissen Klischees abgespeichert haben. Wem ist geläufig, dass es auch vier »Mütter des Grundgesetzes« gibt? Diese Vergesslichkeit, wie Körner anhand niederschmetternder Funde aus Fernseharchiven und Protokollen nachweisen kann, könnte an einer bewusst hergestellten »retrospektiven Amnesie« liegen: Diese sei Ergebnis eines Algorithmus, den der »erste Medienkanzler« Adenauer im Verbund mit einer vornehmlich männlichen Journalistenschar geschrieben habe und der bis heute nachwirke.
Viele der Anzugträger wissen sich bis heute nicht anders gegen die immer präsenteren Frauen zu wehren, als ihnen Schmähungen und Drohungen entgegenzuschleudern. In den 1980ern etwa traf es besonders das »Feminat«, den sechsköpfigen weiblichen Parteivorstand der Grünen. Doch auch Frauen aus CDU, FDP und SPD wurden angefeindet. Als 1970 die SPD-Politikerin Lenelotte von Bothmer regelwidrig in einem Hosenanzug ans Rednerpult trat, beschimpften Männer sie als »unanständiges, würdeloses Weib«. Immerhin: Die Kleiderordnung wurde geändert.
Körner verzichtet auf jeden Off-Kommentar. Mit seiner so kraftvollen wie subtilen Montage aus Archivmaterial, aktuellen Gesprächen mit den Politikerinnen von damals in Räumen des »Langen Eugen« in Bonn — dazwischen Bilder leerer Stuhlreihen oder umkreister Mikrofone —, lässt er dezent ein anderes Deutschland aufscheinen. Eines, das ebenso möglich (gewesen) wäre. Jeder noch zu besetzende Stuhl bleibt zumindest eine Option, es besser zu machen.
D 2020, R: Torsten Körner, 99 Min.