Kommunizieren und Berühren
Kaum zu glauben, dass die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein Arbeiten von insgesamt 13 Künstler*innen versammelt, wirkt sie doch zunächst wie eine Installation aus einem Guss. Die vorwiegend plastischen Arbeiten scheinen miteinander zu kommunizieren und ergänzen sich prächtig. Augenscheinlich geht hier ein kuratorisches Konzept voll auf. Verantwortlich für eben dieses zeichnet, neben der Kunstvereinsleiterin Nikola Dietrich, die junge israelische Künstlerin und Kuratorin Naama Arad (*1985). Entsprechend sind zahlreiche in Israel geborene Künstler*innen ihrer Generation vertreten, die sich daher auch prima in das Festjahr zu »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland« einfügt, aber auch ohne dieses eine überzeugende Setzung wäre. Weitere Positionen aus Polen, den USA und Deutschland ergänzen die Künstler*innenliste.
Der vermeintlich transparente Glaskasten des großen Ausstellungsraums im Erdgeschoss mit Blick hinaus auf die vielbefahrene Hahnenstraße verwandelt sich durch die skulpturalen Setzungen in einen domestizierten und bisweilen intimen Ort des alltäglichen Lebens — ein Habitat mit all seinen Wünschen, Schrecken und Vertrautheiten. Der erste Raum gleicht einem Vorplatz, wo die Fahrzeuge der Bewohner untergestellt werden. Ein schütteres Gewächs aus ummantelten Regenschirmgestellen von Oren Pinhassi (*1985) deutet Begrünung an. Ein fragiler Unterstand auf Klopapierrollen und eine durchsichtige Sänfte von Naama Arad und Tchelet Ram (*1982) signalisieren verhaltene Mobilität.
Der zweite Raum ist mit düsteren Porträtbildern von Omer Halperin (*1984) und Skulpturen unter anderem von Gizela Mickiewicz (*1984) bestückt. Die Küchenzeile im dritten Raum wartet mit einer veritablen Überraschung auf. Neben handbearbeiteten, versehrt wirkenden Ready-Made-Objekten von Etti Abergel (*191960), Noa Glazer (*1981) und weiteren Künstler*innen finden wir hier die bezaubernden, aus Aluminiumblech gefertigten Pop-Skulpturen der 2008 in Köln verstorbenen jüdischen Künstlerin Ursula Burkhardt aus den 60er Jahren. Verteilt auf Bord und Küchenregale sind ein Leitz-Ordner, Schirm, Aktentasche und Reitstiefel zu sehen. Als Ehefrau von Maurizio Kagel und eigenständige Künstlerin war sie seinerzeit fester Bestandteil der experimentellen Kölner Kunstszene — eine echte (Wieder-)Entdeckung.
Im Obergeschoss des Kunstvereins stoßen wir schließlich auf eine eigentümliche Bettstatt. Eingelassen in eine gestreifte Tagesdecke schwimmen zwei künstliche Wimpern in einer Wasserschüssel — eine weitere Gemeinschaftsarbeit von Naama Arad und Tchelet Ram.
Wohlmeinend hatte man den Arbeiten der jungen Künstlergeneration in Israel bereits das Etikett des »prosaischen Materialismus« angeheftet. Gemeint war, fern von ideologischen Überhöhungen, ihre Beschäftigung mit den plastischen Eigenschaften jener Gegenstände, die unseren Alltag bestimmen. Die Ausstellung »Guilty Curtain« zeigt eindrücklich, dass die narrativen Qualitäten und ein ausgeprägter, subtiler Körperbezug der Arbeiten zu ungeahnten emotionalen Berührungen beitragen können.
Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, bis 17.10., koelnischerkunstverein.de