Zwischen Früher und Heute: Rio Reiser-Cover vor dem Bauwagen, Bild: Frederike Bohr

Das Mikrofon, der geile Schwanz

Frederike Bohr zeigt ihr Stück zu Rio Reiser als zahme Hommage im atelier mobile

Mit nackten Füßen steht Rio Reiser auf der Bühne, das Hemd bis zur Brust geöffnet, eine Zigarette qualmt in der rechten Hand. Intim wirken die ersten Minuten des Stückes, das im atelier mobile, dem Freiluftspielort nahe der Südbrücke, gezeigt wird: Ganz nah ist die Stimme von Rio Reiser alias Moritz Angenendt, wenn er ins Mikrofon und damit direkt aus den »Silent Disco«-Kopfhörern in die Ohren der Zuschauer*innen spricht. Er erzählt davon, wie alles anfing, dann aber nicht mehr so recht weiterging. Von den Anfängen der linken Protestbewegung, damals in den späten 60er Jahren in Berlin, von Benno Ohne­sorgs Tod und von Hausbesetzungen in Kreuzberg, als der Mariannenplatz noch blau war, so viel Bullen waren da.

»Von Mitläufern und Widerstand — zeitlos in der Klimakrise« heißt der etwas sperrige Titel des Stückes, in dem Regisseurin Frederike Bohr die Zusammenhänge zwischen damals und heute untersuchen will: Was hat die linke Protestbewegung mit der »Fridays for Future«-Bewegung von heute gemein? »Macht kaputt was euch kaputt macht« — ist das noch aktuell? Neben Rio Reiser daher auf der Bühne: Eine Aktivistin (Manon Lacoste) aus der Jetzt-Zeit in gelbem Regenmantel wie Greta Thunberg, die bei den längst nicht eingelösten Parolen kritisch einhakt. Allein ihr Text ist hier neu, alles was Rio Reiser auf der Bühne sagt, sind collagenhafte Zitate aus Liedtexten, Tagebucheinträgen und seiner Autobiografie.

Dass sie diese nicht im Sinne eines Parteiprogrammes verwende, musste die Regisseurin  dem Bruder von Rio Reiser versprechen. Dennoch vermisst man gerade die biografischen Details, die dem Stück Tiefe verliehen hätten. Rio Reiser, der 1996 mit bloß 46 Jahren starb, sang nicht nur im Auftrag der Bewegung 2. Juni, sondern später auch für die SPD, die Grünen und die PDS. Dass er fast zehn Jahre lang von der Stasi beobachtet wurde, wie der Spiegel kürzlich veröffentlichte, ahnte er damals vermutlich nicht.

»Das Mikrophon ist der geile Schwanz des Publikums, der befriedigt werden will«, schrieb der Sänger in seiner Autobiografie, und am Ende ist dieses Stück vielmehr eine Hommage, geschrieben für Fans von Ton Steine Scherben, als eine Spurensuche nach den Bündnissen zwischen früher und heute. Davon zeugen auch die Lieder, die Regina Melech mit eigenem Verve wunderschön auf der Gitarre begleitet. Die Stimme von Rio Reiser, die lässt sich aber einfach nicht covern.