Ravioli und Waffen: Der Hannibal-Komplex auf der Bühne (©nö theater)

Der Hannibal-Komplex

Das nö theater rollt die Recherchen über das rechtsextreme Netzwerk auf

Fast vier Jahre ist es her, dass das rechtsextreme Netzwerk aufflog. Ein Netzwerk, das Waffenlager anlegte, Todeslisten anfertigte und sich auf die Ermordung politischer Gegnger*innen für den »Tag X« vorbereitete. Ein Netzwerk mit Verbindungen zum Militärischen Abschirmdienst, zur Bundeswehr und Polizei. Mit Zugriff auf die höchsten Sicherheitsstufen und Zugang zu Waffen und Munition.

In Prepper-Chatgruppen radikalisierten sich ihre Mitglieder, schwadroniert vom Völkeraustausch und islamistischen Terrorzellen, die 2015 mit den Geflüchteten nach Deutschland gekommen wären. Im Zentrum steht der ehemalige KSK-Soldat André Schmitt, besser bekannt unter seinem Spitznamen: Hannibal. Er ist die Schlüsselfigur dieses Netzwerks, der Punkt, an dem sich alles kreuzt — dubiose Ritterorden, angemietete Lagerhallen zur Internierung politischer Gefangener, ein Heeresflugplatz, an dem man bis in die 90er Jahre das Horst-Wessel-Lied gesungen haben soll.

Doch ist mit dem Aufliegen Hannibals die Gefahr durch rechtsextreme Seilschaften in den ­deutschen Sicherheitsbehörden gebannt? Oder war das nur die Spitze des Eisbergs? Unter der Regie von Asim Odobašić rollt das Kölner nö theater die Geschichte des toxisch-männlichen Hannibal-Komplexes auf, erzählt die Chronologie der Ereignisse und stellt Fragen. Im Rahmen ihrer Recherche haben sie mit den Journalist*innen gesprochen, die im November 2018 mit einem ausführlichen Bericht in der taz auf das Netzwerk aufmerksam machten. Sie haben zudem den Prozess gegen Franco A. besucht, der seit Mai 2021 am Oberlandesgericht Frankfurt verhandelt wird: Der Bundeswehrsoldat soll mit einer gefälschten Geflüchteten­identität Terroranschläge auf Poli­tiker*innen und öffentliche Insti­tutionen geplant haben. Mit ihm hatte sich schon Anfang 2020 der nö theater-Dramaturg Janosch Roloff beschäftigt, im Stück »Francos Hermannsschlacht«.

Einer der schrägsten Momente der Recherche, erzählt Regisseur  Odobašić, sei gewesen, als Franco A. mit dem Motorrad vor das Gericht gefahren kam, hinter ihm auf dem Sitz ein Freund. »Der hat uns später noch angesprochen, als wir vor dem Gebäude gewartet haben, und wollte mit uns ein bisschen plaudern«, erzählt Odobašić. Auch solche kleinen Details sind in das dokumentarische Theaterstück mit eingeflossen, das sich wie auf einer Spurensuche dem Kern des Hannibal-Komplexes zu nähern versucht.

TanzFaktur, 28.(P) – 31.10., 20 Uhr
noetheater.de
tanzfaktur.eu