»Borga« von York-Fabian Raabes
Autor und Regisseur York-Fabian Raabe erzählt die Geschichte von Kojo, der zusammen mit seinem älteren Bruder Kofi auf der Elektroschrott-Müllhalde Agbogbloshie in Ghanas Hauptstadt Accra schuften muss. Im Betrieb ihres Vaters schlachten sie kaputte Kühlschränke oder Waschmaschinen aus, um so an die wertvollen Metalle zu kommen. Eines Tages trifft Kojo einen sogenannten »Borga« — das ist jemand, der in Deutschland zu Reichtum gelangt ist. Für den Jungen ist klar: Auch er will ins gelobte Land. Nach zehn Jahren soll sich der Wunsch erfüllen. Kojo, inzwischen dargestellt von Eugene Boateng, landet nach kurzer Odyssee in Mannheim. Mit schlecht bezahlten Aushilfsjobs bei einem Schrotthändler hält er sich über Wasser. Ein Lichtblick ist Lina (Christiane Paul), die er zufällig kennenlernt. Dann die fatale Entscheidung, Drogen zu schmuggeln. Endlich macht Kojo das große Geld, endlich kann er nach Accra zurückkehren. Doch sein Bruder Kofi ist alles andere als erfreut, ihn zu sehen.
Von nun an pendelt der Film zwischen Ghana und Deutschland hin und her — immer konsequent aus der afrikanischen Perspektive gesehen. Raabe, der bereits mit seinem kurzen Dokumentarfilm »Children of Sodom« auf der Elektroschott-Halde in Accra drehte, hat einen genauen Blick für die sozialen Verhältnisse im Land. Er schildert Armut, Bildungsmisere und Auswanderung, aber auch den unbedingten Überlebenswillen, das Aufgehobensein in der Familie. Erst als Kojo Bruder und Eltern verlässt, beginnen seine Probleme. Raabe findet immer wieder starke Bilder: die riesige Deponie zu Beginn des Films, auf der sich unter großen Gefahren Kinder tummeln. Vielsagend auch, wie Kojo mit blauem Anzug, weißem Hemd und rotem Schlips im Stil eines Königs durch Agbogbloshie läuft, dort aber nicht mehr willkommen ist. Ein wenig sprunghaft ist die Geschichte erzählt, mal ist Kojo in Mannheim, dann wieder in Accra, über seine kriminellen Aktivitäten erfahren die Zuschauer*innen nur wenig. Trotzdem hat »Borga« mit Eugene Boateng, 1985 als Sohn ghanaischer Eltern in Düsseldorf geboren, ein starkes Zentrum. Mit Verve stürzt er sich in die Rolle und verdeutlicht, dass der Traum vom Aufstieg vor allem Rückschläge mit sich bringt. Die vage Liebe zu Lina nimmt noch einmal, wie erst kürzlich in »Le Prince«, das Thema einer grenzübergreifenden Beziehung mit all ihren Vorurteilen und Konflikten auf. Raabe kommt dabei ohne Klischees, ohne Beschönigungen, ohne Selbstmitleid aus. Ein starker Film.
D/GHA 2021, R: York-Fabian Raabe, D: Eugene Boateng, Christiane Paul, Lydia Forson, 104 Min.