»News Medley«, video still, 2020 | courtesy: Alicja Rogalska, Katalin Erdődi, Réka Annus and the Women’s Choir of Kartal

Widerstand vor Hügellandschaft

Alicja Rogalska verwandelt die Temporary Gallery in ein kollektives Camp

Die Ausstellung »From Ground To Horizon« erzählt von Menschen und den systematischen Zusammenhängen, in denen sie leben und arbeiten. So sehr sich ihr Alltag auch von Ort zu Ort und von Land zu Land unterscheiden mag, eint sie doch das Be­wusstsein, Teil eines großen, globalen Systems zu sein. In Alicja Rogalskas künst­lerischen Arbeiten steht dennoch die Individualität ihrer Protago­nisten im ­Vordergrund. Sie fängt diese in kurzen Videos ein, inszeniert darin Momente der Solidarität, aber auch des Protests und der Widerständigkeit gegenüber einem in alle Teilbereiche des Lebens vordringenden kapitalistischen Wertesystem.

Diese Thematik steht auch im Zentrum der Ausstellung. Jedes einzelne Video zieht eine Verbindungslinie zu einer Gruppe von Personen, die die Künstlerin in die Entstehung ihrer Projekte involviert hat. Eine Aktivistengruppe aus Wien bringt ein Improvisationsstück auf die Bühne, ein ungarischer Frauenchor stellt durch traditionell anmutende Volkslieder die Beschränkungen der Pressefreiheit in Frage, immer wieder machen Arbeiter aus der Landwirtschaft auf ihre Situation aufmerksam.

Rogalska ist kein Solostar, ihre Arbeit ist geleitet von der Idee, dass Kunst in einem offenen, kollektiven Prozess entstehen kann. Dabei lässt die Vielzahl und Diversität der Kontexte Rückschlüsse auf nomadische Verhältnisse als Konsequenz der Arbeitsbedingungen im Kunstsystem zu.

In der Temporary Gallery findet Rogalskas Arbeit den passenden Rahmen. Sie hat sich in den letzten Jahren zu einem Ort des Experimentierens entwickelt, insbesondere was die Präsentation und Vermittlung betrifft. Auch dieses Mal entfernt sich das Ausstellungskonzept von der Neutralität des konventionellen White Cube: Rogalska und Kuratorin Aneta Rostkowska haben mit dem Ausstellungsarchitekten Mateusz Okonski eine farbenfrohe Hügellandschaft geschaffen, die dazu einlädt, in ihr Platz zu nehmen. Dabei verleiht sie den realitätsbezogenen Videos, die durch ihren dokumentarischen Charakter nah an der Realität entlangerzählen, eine surreale Ebene. Hinzu kommt ein außergewöhn­liches Begleitprogramm, das von Aktionen im öffentlichen Raum bis zu einem Wellnesstag für Kölner Stadtaktivist*innen reicht.

Temporary Gallery

Mauritiuswall 35
Do–So 12–19 Uhr, bis 13.2.2022
info@temporarygallery.org