Erkennen Sie den Unterschied? Links der Versuch unseres Autors, rechts das Original von Julia Komp, Foto: Fabian Elsäßer

Verliebt in crispy Schweinebauch

Sterne-Köchin Julia Komp legt ihr erstes Kochbuch vor. Wie leicht ist es für einen Hobby-Koch, Spitzenküche am eigenen Herd zu kochen? Ein Selbstversuch

 

Es gibt in meiner Sammlung von Kochbüchern eines, mit dem ich noch nie gearbeitet habe: »Highlights« vom Jahrhundertkoch ­Eckart Witzigmann. Die Rezepte aus seinem Restaurant Aubergine sind so kompliziert und so aufwändig, dass mir schon beim Lesen der Schweiß ausbricht. Das passiert bei Julia Komps Buch »Meine Weltreise in Rezepten« nicht. Die Sterne-Köchin, die in diesen Tagen in der Innenstadt ihr neues Restaurant eröffnet, hatte sich 2018 auf den Weg gemacht, um orientalische und asiatische Küche da zu erforschen, wo sie herkommt. Ich will wissen: Kann ich das nachkochen?

Die gut vier Dutzend Rezept-Kompositionen führen uns von der Türkei unter anderem über Indonesien und China bis Äthiopien und Tunesien — allesamt sind sie verständlich aufgebaut. Etwa die Hälfte davon würde ich mir zutrauen, anderes ist so hübsch dekoriert und besteht aus so vielen Komponenten, dass ich dafür wohl einen ganzen Tag bräuchte. Die Zutatenbeschaffung ist weitest­gehend problemlos — solange man in der Großstadt und somit in der Nähe eines Asia-Shops lebt; in der Eifel könnte man mit diesem  Buch an Grenzen stoßen. Außer Rezepten enthält das Buch noch eine ausführliche Schilderung von Julia Komps Reisen mit detaillierten Eindrücken der jeweiligen Landesküchen sowie Anekdoten: etwa, wie sie in einer äthiopischen Hotelküche improvisieren muss und warum ihr Tunesien fast eine zweite Heimat ist.

Ich versuche mich zunächst an Somtam, einem thailändischen Salat aus Papaya, Möhren und Schlangenbohnen. Alle Zutaten werden beständig miteinander gemörsert, was mit reichlich Fischsauce einen Fermentationsprozess in Gang zu setzen scheint. Das schmeckt scharf und leicht säuerlich. Die nächste Übung ist indonesisches Saté mit Padang-Sauce und Gurkensalat. Erste Erkenntnis: Meine Schnitttechnik ist auch nach Jahrzehnten als Hobbykoch einigermaßen stümperhaft. Das Zerkleinern der Saucen-Zutaten (etwa Zitronengras, Ingwer, Galgant) dauert bei mir eine Ewigkeit. Zweite Erkenntnis: Ich habe keine Ausstechförmchen, um die Gurkenscheiben hübsch zuzuschneiden. Ich versuche mühsam das auszugleichen, indem ich sie in Form schnitze. Danach sehen sie aus wie Ninja-Wurfsterne. Immerhin: auch irgendwie asiatisch. Aber bleibt die Sauce wirklich unpassiert? Meine sieht nicht so geschmeidig aus wie im Buch, aber da steht davon nichts. Meine Testesser geraten dennoch ins Schwärmen und bewerten den Geschmack von Saté und Sauce als »Weltklasse«. Einen Tag später verliebe ich mich in den »Crispy Schweinebauch« — und übersehe, dass man das Fleisch dafür 24 Stunden lang bei 65 Grad vakuumiert in einem Sous-Vide-Garer vorbereiten muss. Den habe ich nicht. Warum eigentlich nicht? Ach, genau, weil der Kauf weiterer Küchenutensilien eine massive Beziehungskrise auslösen würde. Es geht dann auch in der Röhre, bei 80 Grad Umluft, mit einer Wasserschale darunter und anschließendem rabiaten Einsatz des Ofengrills. Ein Hinweis auf so eine Zubereitungsalternative wäre hilfreich gewesen, zumal Julia Komp das an anderer Stelle durchaus tut. Das Möhrenpüree auf Kokosmilch-Béchamel-Basis erfreut als Beilage.

Bei Entenbrust mit Pak-Choi und Süßkartoffelplätzchen erlebe ich ein Debakel: Die Kartoffeln zerfallen, obwohl ich sie folgsam mit Salz bei 170 Grad Umluft im Ofen gegart habe. Und ich habe keine Challans-Ente zur Hand, sondern mal wieder nur Barbarie, männlich. Würde ich die wie im Buch zubereiten — vier Minuten Pfanne, acht Minuten Ofen — wäre sie nur blutig. Ich muss vorsichtig nachgaren. Es wird wieder einen Tick zu zäh, wie so oft. Es muss an der Ente liegen. Oder an mir. Die eingelegten Möhren passen dazu bestens, aber Passionsfruchtsaft gibt es in meinem Supermarkt einfach nicht. Ich nehme Maracuja. Schmeckt anders, aber schmeckt. Auch hier wieder eindrücklich: die Sauce, im Buch als Curry-Sauce annonciert, aber natürlich viel feiner. Der entscheidende Dreh könnten Bananen, Kokosmilch und Kaffir-Limettenblätter sein. Aus Zeitgründen schenke ich mir das Mango-Gel (erst gelieren, dann kleinschneiden, dann mixen...).

Am Ende meiner kleinen Versuchsreihe empfinde ich Demut vor Julia Komps Können. Ich stelle zudem fest: Es gibt Gründe, warum keine Zubereitungszeiten dabei­stehen. Bis zu zwei Stunden hat es meist gedauert. Und leider sieht nichts auf meinen Tellern auch nur ansatzweise so hübsch aus wie in diesem Triumph der Food-Foto­grafie.

Julia Komp: »Meine Weltreise in Rezep­ten«, Gräfe und Unzer, 192 Seiten, 22 €.

Die Eröffnung von Julia Komps neuem Restaurant Sahila, Innenstadt, Kämmergasse 18. ist angekündigt, unsere Besprechung folgt