Wenn bei Produzenten der Blick nach innen geht: Jan Philipp Janzen, Foto: Frederike Wetzels

Gemeinsam allein

Der Kölner Schlagzeuger Jan Philipp Janzen bastelt an seinem ersten Solo-Album — auf dem er gar nicht als Solist auftaucht. Ein Werkstattgespräch

Wenn man mit Jan Philipp Janzen ein Interview macht, dann sitzen neben dem Schlagzeug-Ass normalerweise seine Freunde und Kollegen von der Combo Von Spar, oder Gregor Brenner, sein partner in crime bei Urlaub in Polen. An diesem kühlen Spätherbstabend treffe ich ihn hingegen zum Tête-­à-Tête. Janzen ist noch ein wenig gehetzt, er hat mal wieder viel um die Ohren. Neben der Arbeit am eigenen Album ist er gerade jeden Tag im Studio: »Ich nehme da mit Frank Spilker das neue Die-Sterne-Album auf.« Für Die Sterne trommelt er und beweist auch seine Aufnahme- und Mixing-Skills. Damit reiht sich Frank Spilker in eine illustre Reihe: Owen Pallett, Scout Niblett, Xul Zolar, Albrecht Schrader und und und. Sie alle haben ihre großartige Musik von Janzen produzieren lassen. Meistens gehört zum »Paket Janzen« Zeit im Dumbo Studio, das er zusammen mit Von Spar in Zollstock betreibt. Das Studio ist Spielplatz, Bühne, Protagonist und … Namensgeber für Jan Philipp ­Janzens Solo-Projekt, an dem er dezeit arbeitet: Dumbo Tracks.

Discogs verzeichnet mittlerweile 98 Einträge unter deinem Namen. Jetzt steckt hinter der Nummer 99 deine erste Solo-Single, »Everybody Knows«. Wie kommt es?

Das stimmt nicht ganz. Ich habe 2018 eine Techno-Maxi und eine EP als Column bei Areal Records rausgebracht.

Das wusste ich gar nicht.

Ja, ich habe quasi dafür gesorgt, dass das maximal unter dem Deckmantel bleibt. (lacht) Ich möchte aber kurz ausholen: Es gibt gute Gründe, warum ich vornehmlich in Bands arbeite. Einer davon ist, dass ich dazu neige, in eine Depression zu verfallen, wenn ich alleine Musik mache — was ich ja tatsächlich immer nebenher gemacht habe. Die Isolation, in der man beim Solo ist, gepaart mit übersteigerter Selbstkritik, das hat mir nie gut getan.

Meinst du eine psychische Depression oder eine musikalische?

Das eine bedingt da das andere. Mir passiert das aber nicht, wenn ich in Bands spiele. Die Möglichkeit gemeinsam zu reflektieren, zu diskutieren ... man ist nicht allein verantwortlich, und Musiker können Parts einspielen, die man selbst nicht spielen könnte oder sich nicht zutraut.

Alleine Musikmachen klingt richtig scheiße, wenn du das so sagst...

Es gab zwei Faktoren, die es diesmal entspannter und erträglicher gemacht haben. Da ist einerseits die »Tugend des Alters«. Man lernt auch mit der eigenen Selbstkritik umzugehen. Andererseits ist das hier gar keine Solo-Platte.

Wir müssen, glaube ich, klar stellen worüber wir reden. Da ist die Single-Auskopplung »Everybody Knows«, die du mit Notwists Markus Acher und deinem Von-Spar-Kollegen Christopher Marquez eingespielt hast. Das ist derweil der Auftakt für ein ganzes Album ...

Genau. Und das Album lebt von mehreren Kooperationen. Das sind Leute, die können einen Sparkle reinbringen. Das hat Druck genommen, ganz klar.

Die Platte ist ja in der Corona-Zeit entstanden ...

Da rede ich natürlich nicht so gerne darüber, weil das gerade alle erzählen.

Aber es ist so?!

Selbstverständlich war das ein harter Einschnitt. Touren sind ausgefallen, die Stadt war ruhig, ich hatte die Muße und die Zeit ... und die finanzielle Unterstützung durch Corona-Hilfen. Es war ursprünglich gar nicht die Idee einen fertigen Track zu machen, geschweige denn ein ganzes Album. Ich hatte einfach nur Lust, Musik für mich zu produzieren. Auch eine Sache, die ich ganz lange so nicht hatte.

Wie meinst du das?

Beim Musikmachen ging es in den letzten Jahren immer nur um Zweck: Album rausbringen, Label finden, Promotion, Proben für eine Tour, neue Aufnahmen, Platte aufnehmen ... es ist auf diesem Level nie Zeit da, um mal durchzuatmen.

Du hast gesagt, dass die Corona-Hilfe dir die Chance gegeben hat. Das klingt ja fast nach einem Argument, solche Hilfen kontinuierlich fließen zu lassen: als bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler*innen. Soll ich dir was sagen?

Man kann so ein Grundeinkommen aus einer neo-liberalen Logik total geil finden. Dann höhlt man das gesamte Sozialsystem aus, aber ... Es ist super interessant zu sehen, dass so viele Menschen, die Kunst machen und Musik, dass die scheinbar sehr viel geschafft haben. Man munkelt, dass die Politik nachhaltig verwundert ist, wie produktiv und erfolgreich die letzten Monate in der Kunst waren. Ich glaube, es hatte niemand den Anspruch, dass wirklich viel bei den Hilfen rumkommt. Und dann schreiben alle neue Alben und organisieren Ausstellungen!

Die Stücke, die ich hören durfte, klingen alle im besten Sinne sehr undeutsch. Bei der Single bekommt man ja einen gewissen Einblick, in welche Richtung es geht. Glaubst du, dass es daran liegt, dass du schon sehr lange international arbeitest?

Mir fällt da die Zusammenarbeit mit der Songwriterin Scout Niblett ein. Das begann für mich eindeutig schon früher. Bei meiner Arbeit und den Touren mit Owen Pallett. Da erkannte ich schnell, dass der Standard, den wir in Deutschland pflegen, nicht das Nonplusultra ist. Ich kann mich noch daran erinnern als wir mit Final Fantasy, wie das Projekt damals noch hieß, in London gespielt haben. Vorgruppe war Grizzly Bear, das war vor ihrer ersten großen Platte. Als ich deren Soundcheck gesehen und gehört habe, dachte nur ich: Was ist denn hier los? Das war Lichtjahre von dem entfernt, was man zum selben Zeitpunkt hier so pflegte. Dann kam die Tour mit Scout Niblett und an­­schließend mit dem schwedischen Produzenten The Field. Man er­­kennt schnell, wieviel möglich ist — abseits des deutschen Trotts.

Ich denke bei den Dub-Klängen, die man auf Deiner Single hört, natürlich direkt an Lee Scratch Perry und das Black Ark Studio oder an King Tubby. Bei ihnen fungierte das Studio wie ein eigenes Instrument. Schließt du dich dieser Weise. Musik zu machen, an?

Ganz ehrlich, ich kenne mich viel zu wenig mit Dub und der Geschichte aus, um dazu eine qualifizierte Antwort geben zu können. Ich habe das natürlich gemerkt, wohin die Reise geht. Zwischendurch hat mich eine Freundin besucht, der zeigte ich die ersten Tracks. Ich konnte mir nicht erklären, warum das alles dubby wurde. Sie sagte dann ganz unromantisch und stichhaltig: Wenn Produzenten Musik machen, dann kommt halt oft Dub raus, weil das halt eine Produzenten­musik ist.

Die Referenzen sind zahlreich: Rhythm & Sound, Demdike Stare etc. pp. 

Ohne die Jamaikaner zu vernachlässigen, lässt sich ja sowieso feststellen, dass vor allem ab den 80er Jahren Dub-Musik auch von Menschen gemacht wurde, die nicht von den West Indies stammen. Das Londoner Label On-U-Sound ist für das heutige Dub-Verständnis genauso wichtig.

Du hast dich also nochmal reingehört in den Katalog?

Ja klar, aber es ist nicht so, dass ich da zu viel Zeit reingesteckt habe. Man droht dann zu imitieren, zu reproduzieren — technisch ist das alles heute gar kein Problem mehr, so zu klingen. Ich habe mich da gezügelt... was man auch merkt, glaub ich.

Du legst wert darauf, dass frühe Produktionen vom Kölner Kompakt-Label standen.

Unbedingt. Ich weiß aber nicht, ob das irgendjemand anders hören wird. Es gibt ein Stück, das heißt »Letter from an Unknown Woman«. Wenn ich da die ersten Sekunden höre, den Beat, dann ist das für mich early Minimal-Techno. Die Off-Hi-Hat, der Sound, wie der Off-Beat inszeniert ist ... Ich höre da Kooperationen von Wolfgang Voigt und Jörg Burger. Ich bin mir aber relativ sicher, dass das niemand raushören wird.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Markus Acher?

Das ging ganz schnell. Mit dem wollte ich schon immer zusammenarbeiten. Schon seitdem ich als Jugendlicher in Siegen in alternativen Locations die Noise-Zeit von Notwist erlebt habe.

Und wann kommt das Album von dem wir jetzt gesprochen haben?

Das geht im Januar in die Produktion und soll im Mai rauskommen. Es gibt da noch ein paar Ideen, obwohl das Album eigentlich fertig ist. Aber ich sag meinen Studenten an der Uni immer: Produziert noch ein, zwei Stücke, wenn ihr fertig mit einer Platte seid. Da kommen häufig sehr gute Sachen bei raus.

Das Video zu »Everybody Knows« findet man auf Youtube
https://www.youtube.com/watch?v=KPiKNyA_ruM