»Ich male keine Opfer«
Black is beautiful and so cool! Geradezu hymnisch zelebriert Lynette Yiadom-Boakye dieses Bekenntnis in ihren Gemälden, deren ausschließlich schwarze Akteure eine wunderbare, ansteckende Nonchalance ausstrahlen — und damit zunächst irritieren. Die Londoner Malerin (*1977), deren Eltern in den 60er Jahren aus Ghana eingewanderten, bringt es auf den Punkt: »Ich male keine Opfer«, erklärt sie. Sobald eine Figur anfange ihr leidzutun, werde sie verworfen. Sie verfolgt keinen aktivistischen Ansatz.
Yiadom-Boakye zeigt Frauen oder Männer, die mit sich und den anderen vollkommen in Einklang zu stehen scheinen. Sei es, dass sie sich schweigend in die Augen schauen (»No Need of Speech«), ihr Glück teilen, sich zuprosten oder sich der behaglichen Erschöpfung nach gemeinsamem Sport hingeben. Auch auf den Einzelporträts begegnen uns ausnahmslos in sich ruhende und offensichtlich glückliche Menschenkinder. Sie hängen ihren Gedanken nach, rauchen manchmal versonnen und sind mit Dingen beschäftigt, von denen wir nichts wissen. Manche sehen uns an und lächeln offenherzig. Die effektheischende Pose ist ihnen fremd.
Es sind allesamt sympathische Leute, mit denen sich Lynette Yiadom-Boakye umgibt. Gleichzeitig erfahren wir, dass sich ihre Porträts nie auf reale Personen beziehen. Sie findet Inspiration in Zeitungen und Zeitschriften, auf Familienfotos, in der Literatur und Kunstgeschichte. Erst im Akt des Malens werden die inneren Bilder zu scheinbar wahrhaftigen Menschen komponiert.
Spätestens seit ihrer Nominierung zum Turner Prize 2013 wird die hochbegabte Künstlerin, die auch Prosa, Dialoge und Gedichte schreibt, international gefeiert. Die Überblicksschau in Düsseldorf mit dem poetischen Titel »Fliegen im Verbund mit der Nacht« ist in Kooperation mit vier großen Museen entstanden. An der Tate Britain war sie aufgrund des Lockdowns gerade mal vier Wochen öffentlich zugänglich, im K20 hat man hoffentlich noch bis Februar Gelegenheit dieses malerische Werk zu entdecken.
Mit Schwerpunkt im Henkel-Saal setzt sie dort am Ende des Rundgangs durch die hochrangige Malerei-Sammlung einen fulminanten Akzent. Kräftig leuchtet das Weiß von Zähnen, Augäpfeln und Hemdkragen auf den hintergründig eher dunklen Bildern, in einer gemalten Welt jenseits rassistischer Karikaturen. Auf subtile Weise lassen uns Lynette Yiadom-Boakyes Bilder die Grenzen in den eigenen Köpfen hinterfragen.
Kunstsammlung NRW K20, Grabbeplatz 5, Düsseldorf, Di–Fr 10–18, Sa/So 11–18 Uhr, jeden 1. Mi KPMG-Kunstabend, bis 13.2., kunstsammlung.de