Brummkreisel ohne Kohlgeruch

Materialien zur Meinungsbildung /// Folge 237

Gibt es das noch: Geschenke umtauschen? Früher gehörte der Gedanke daran zur Weihnachtszeit wie Lametta und Weinbrand­bohnen. Zwischen den Jahren erzählte man sich gespielt gequält, was man alles für unpassende Geschenke bekommen hatte. Doch Scherze über bunte Socken oder Krawatten mit Mickey-Mouse-­Motiv gibt es nicht mehr, weil keiner mehr solche Geschenke macht. Umtausch also ausgeschlossen. Entweder, weil man einfach Gut­haben für bestimmte Produktgruppen bei entsprechenden Anbietern verschenkt, auf Karten oder als Code — Nachfolger des Geschenkgutscheins. Der Schenkende zeigt sich großzügig, entlastet sich aber vom Aufwand, das Passende finden zu müssen. Und der Beschenkte bekommt, was er will.

Oder aber der Umtausch fällt aus, weil man sich heute rechtzeitig verständigt, was man sich wünscht. Der Aufwand ist für den Schenkenden nur unwesentlicher größer als bei der Guthaben-Variante. Man kann die Spielekonsole, die Kaffeemaschine oder die bunten Socken (die jetzt doch wieder modern sind) in Geschenkpapier verpackt an einen Empfänger seiner Wahl schicken lassen.

Geschichtlich betrachtet liegt der Ursprung dieser Optimierung im kindlichen Wunschzettel, auf dem ja bereits präzise formuliert wird, was der Weihnachtsmann bringen möge. Man darf nicht ­nos­talgisch werden. Aber statt ­eines Brummkreisels oder einer Botanisiertrommel stehen heute nicht bloß andere Gegenstände auf dem Zettel (wenn es überhaupt noch Gegenstände, wenn es überhaupt noch Zettel sind), sondern diese Wünsche werden sehr detailliert beschrieben. Man wünscht sich nicht einen Gegenstand, ­sondern ein bestimmtes Fabrikat und schreibt die Typenbezeichnung dazu.

All das ist sehr einfach. Wer ein Geschenk macht, hat weniger Mühe und wer beschenkt wird, erlebt keine Enttäuschung. Win-win. Wer einen Brummkreisel will, der bekommt immer den richtigen!
Früher hingegen ging man ins Geschäft von Frau Schmackenfeld, wo es abgestanden nach Kohl muffelte. Dort schaute man sich die Brummkreisel an. Man wählte einen aus, bezahlte und ging damit nach Hause. Ja, schade, dass der Brumm­kreisel gelb war (und nach Nikotin roch), man hätte lieber einen in Blau gehabt. Aber den hatte Frau Schma­ckenfeld nicht. Doch ahnte man, dass es in der großen weiten Welt noch viel mehr Brummkreisel geben müsste. Doch diese Brummkreisel, darunter sicher auch sehr schöne in Blau, waren unerreichbar.

Heute ist Frau Schmackenfeld ­lange tot, und wo ihr Laden war, stehen moderne Häuser, in denen Menschen wohnen, die viel herum­kommen in der Welt und die alles kennen, aber vielleicht doch keine Brummkreisel. Wenn sie aber einen verschenken sollten, dann könnten sie sich bequem auf ihr Sofa setzen und vor einem Bildschirm einen aussuchen, und wenn es dabei nach Kohl muffeln würde, dann wären sie selbst schuld oder vielleicht die Dunstabzugshaube kaputt, und sie würden die Dunst­abzugshaube sofort umtauschen, statt den Kundendienst kommen zu lassen, denn der ist nur über eine App zu erreichen, die auf dem neuen Smartphone nicht funktioniert, und sie würden eine bitterböse Bewertung schreiben.

Auf die Idee, den Brummkreisel umzutauschen, wäre damals niemand verfallen. Frau Schmackenfeld war streng und stur, da half kein Betteln. Die bitterböse Bewertung wäre auch ausgefallen, wo wollte man sie hinschreiben? Man könnte sich den Ärger gespielt gequält zuraunen, aber was hätte das geholfen? Jeder wusste es doch. Frau Schmackenfeld war gewissermaßen Monopolistin, was Brummkreisel betraf, aber auch andere Dinge. Nicht alles hat sich gegenüber damals geändert.