Wer Sushi bestellt, sollte auch rohen Fisch bekommen: Mirko Gaul in der Küche vom Sterne-Restaurant Taku

Avocado mit Stäbchen

Warum gibt es neuerdings so oft »Asian Fusion«-Küche in Köln? Und was hält ein Experte für asiatische Küche und Sterne-Koch davon?

Wer gern essen geht, freut sich, dass trotz Pandemie neue Restaurants eröffnen. Nur weshalb sind es so oft Eröffnungen, die asiatische Küche als Mix anbieten, der als »Asian Fusion« beworben wird? Die Speisekarten versammeln Ideen aus Japan, Thailand, Vietnam und China — oft in einem einzigen Gericht. Schon lange sind die asiatischen Länderküchen beliebt. Alles begann in den 80er Jahren als sich in Deutschland allmählich Sushi und die japanische Küche neben der französischen und italienischen als Hochküche etablierte. Roher Fisch mit wenigen, aber exklusiven Zutaten war wie ein Gegenentwurf zu dem, was man in den China-Restaurants bekam, die sich mit Nasi-Goreng oder Ente süß-sauer den deutschen Vorlieben anpassten. Die Tische waren mit Messer und Gabel eingedeckt, Stäbchen bekam man auf Nachfrage.

Mit der Globalisierung eröffneten um die Jahrhundertwende immer mehr asiatische Lokale. Neue Aromen traten ihren Siegeszug an, die heute fast zur Alltagsküche gehören: Koriander, Zitronengras, Ingwer, Kokosmilch, Soja- und Fischsauce, Currypaste. Asiatisch essen, das hieß auch weltgewandt zu sein. Bald fanden sich auch in Illustrierten Rezepte für Tom Kha-Gai oder Zubereitungen aus dem Wok. Der Streetfood-Trend hat der Begeisterung einen weiteren Schub gegeben. Asiatisches Essen, was immer man auch darunter versteht, gilt als gesund, aromatisch, zeitgemäß. Selbst der Trend zu regionalen und saisonalen Gerichten ändert daran nichts.

Anziehend wirkt eine asiatische anmutende Speisekarte auch auf ein Publikum, das vegetarisch oder vegan essen möchte. Das Udum am Rinkenpfuhl ist ein neues veganes asiatisches Restaurant mit einer ellenlangen Karte. Sushi wird mit Mango und veganem Lachs-Ersatz oder mit scharfer veganer Mayonnaise angerichtet. Es gibt Mango-Avocado-Rolls mit veganem Frischkäse oder Bowls mit Mais, Wakame, Kichererbsen und Quinoa, »abgerundet mit Sesamsauce und Cocktailsauce«. Der Andrang ist enorm.

Heute sind fast alle vegetarischen Restaurants irgendwie asiatisch inspiriert. Die Zeit von Dinkelbratlingen und Polenta-Schnitten ist vorbei. Allein, die authentische Küche asiatischer Regionen findet man hier kaum, eher ein Sammelsurium, das sich nicht wie früher einem irgendwie hier zu Lande gängigen Geschmack anpasst, sondern einer internationalen, globalisierten Kulinarik und ihrem Eklektizismus. Das letzte Lokal, das nicht so war, war das Grünlilie in Sülz. Vor kurzem hat das Restaurant geschlossen.

Auch Mirko Gaul serviert ostasiatisch inspirierte Gerichte — allerdings ist er Sterne-Koch und konzipiert seine Fusion-Küche für das Restaurant Taku im Excelsior Hotel Ernst. »Ich fühle mich bei der Konzeption eines Gerichts zunächst der jeweiligen Landes­küche verpflichtet, aber ohne zu streng zu sein«, sagt Gaul. »Bei einem japanischen Gericht die Säure einer Yuzu durch Thai-Zitrone oder Buddhas Hand zu ersetzen, den Freiraum nehme ich mir. Aber ich würde nicht ein japanisches Gericht mit einer thailändisches Fischsauce würzen.« Gauls Ansehen beruht darauf, dass er die ursprüngliche Idee bei aller Kreativität und Verfeinerung beibehält. »Fusion bedeutet ja nicht Mischmasch«, sagt er. »Und bevor man eine traditionelle Zubereitung neu interpretiert, sollte man wissen, wie sie eigentlich gedacht ist.«

Was sagt Gaul denn dazu, wenn nun überall Sushi mit Avocado angeboten wird? »Ach, das ist ja im Grunde die alte L.A.-Küche der 60er Jahre mit ihren California Rolls — irgendwie asiatisch, aber auf den Massengeschmack ausgerichtet.

Oft werden diese California Rolls ja sogar noch frittiert. Aber das dient ja gar nicht dazu, eine weitere Textur hinzuzufügen, sondern es schmeckt bloß nach alter Fritteuse ­— also dann ess ich doch lieber direkt Pommes«, sagt Gaul und lacht. Aber warum kommt diese Küche so gut an? »Viele denken vielleicht, man müsse jetzt halt Sushi essen, aber sie mögen gar keinen rohen Fisch. Dann sind sie froh, wenn der Geschmack übertüncht oder durch was anderes ersetzt wird.«

Ebenso wie endlos lange Karten sei es kein gutes Zeichen, wenn in jedem Gericht Koriander, Ingwer oder Zitronengras auftauchen, so Gaul. »Man kann diese Aromen einsetzen, aber sollte auch wissen, warum — und nicht bloß, damit es irgendwie asiatisch wirkt.«

Wenn es um Imbissrestaurants gehe, bevorzuge er solche mit Länderküchen. Dort gebe es genug zu entdecken, so Gaul. Was sind seine Tipps? Vietnamesisch im Café 1980 an der Bobstraße etwa. »Da gibt es tolle Ban Mhi, die vietnamesischen Baguettes, und Pho Bo, eine tolle Reisnudelsuppe«. Oder chinesische Nudelsuppen im kleinen Imbiss Bai Lu Noodles an der Palmstraße. »Und natürlich das China-Restaurant Great Wall an der Komödienstraße. Aber da muss man nach der Spezialitätenkarte fragen«, rät Gaul. Darauf finden sich weder Nasi-Goreng noch Gerichte mit Avocado. Stattdessen aber Entenmagen oder Gebratene Inneren vom Rind mit Schweineblut. Nichts für den Massengeschmack.