Die Gamification der Bildung
Als die Schulen im Frühjahr 2020 in den Lockdown gingen, erschien für viele zum ersten Mal »Anton« auf der Bildfläche. Eine Lern-App, die vor allem Grundschulkindern spielerisch Mathematik, Rechtschreibung und Englisch-Vokabeln beibringt. Entwickelt wurde sie
von dem Berliner Start-up solocode, dessen Gründer zuvor die Sprachlern-App »Babbel« an den Start gebracht hatten. Unter anderem mit Mitteln aus der EU schufen sie seit 2017 ein Programm, in dem ganze Schulklassen in digitalen Lerngruppen zusammenkommen, und Klassenlehrer*innen sogar individuelle Aufgabenpläne erstellen können. Perfekt für einen Unterricht, der innerhalb kürzester Zeit ins digitale Klassenzimmer verlegt wurde.
Doch nicht nur Datenschutzlücken, die laut Recherchen des BR mittlerweile behoben sein sollen, sorgten bei »Anton« für Kritik: Auch dass Kinder für gelöste Aufgaben eine Belohnung in Form von virtuellen Münzen sammeln, finden manche fragwürdig. Punkte sammeln, wie an der Supermarktkasse, für Wissen und Bildung? Eine Rangliste, in der man je nach Münzsammlung auf- oder absteigen kann? Das Prinzip der Gamification kommt seit Beginn der 200er Jahre immer häufiger zum Einsatz, also die Verwendung von spieltypischen Elementen in nicht-spielerischen Kontexten. Zahlreiche Studien belegen: Es funktioniert. Menschen nehmen zum Beispiel häufiger die Treppe statt den Aufzug, wenn die Stufen wie eine Klaviatur klingen.
Bei »Anton« können mit den gesammelten Münzen altersgerechte Spiele freigeschaltet werden. Das setze zusätzliche Anreize, um die App zu öffnen und am Ball zu bleiben, heißt es auf der Website der Berliner Landesinitiative »Projekt Zukunft«. In den Ohren einiger Expert*innen klingt darin die frühe Förderung einer Mediensucht heraus. Karolina Kaczmarczyk von der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW fasst es in einer früheren Veröffentlichung so zusammen: Gamification sei ein Trick, eine Art der Manipulation, aber sicher kein Allheilmittel in der Bildung. Denn ist der innere Antrieb nicht gegeben, ein Thema verstehen zu wollen, dann können auch Lernspiele wie »Anton« daran nichts ändern.