Protest in Orange: Lieferando-Kuriere bei einer Demo im Sommer 2021

Nicht abgeliefert

In Köln gibt es viele neue Lieferdienste. Die alten Probleme sind geblieben

Es wird bunt auf Kölns Radwegen. Lange hat das Orange des Lieferdienstes Lieferando dort dominiert, mittlerweile sind neue Farben dazugekommen: Hellblau (Wolt), Schwarz (Gorillas), Rosa (Flink), Grün-Schwarz (Uber Eats) und Violett (Getir). Sie alle versprechen die schnelle Lieferung vom Mahlzeiten oder Lebensmittel — zumindest im linksrheinischen Köln. Und dafür setzen sie alle auf die Arbeit von Fahrradkurieren.

Einer von ihnen ist Benjamin Geißler. Seit 2016 fährt er hauptberuflich Essen aus, erst für Foodora, mittlerweile für Lieferando. »Es hat sich vieles verbessert in der Zeit«, sagt er. »Aber das ist nicht von alleine gekommen.« Geißler muss es wissen. 2017 hat er mit mehreren Kolleg*innen den Betriebsrat bei Foodora gegründet, der erste in der Branche überhaupt. Mittlerweile ist er Mitglied des Betriebsrats von Lieferando.

Gerade erst haben die Lieferando-Fahrer*innen einen Erfolg erzielt. Lange mussten sie ihr ­persönliches Smartphone nutzen. Neben dem Fahrrad ist es das ­zentrale Arbeitsmittel. Mithilfe der Lieferando-Software werden die Arbeitszeiten und Lieferungen verwaltet. Ohne Smartphone kann man diesen Job nicht machen. Bislang zahlte Lieferando eine Pauschale für die Nutzung von eigenen Smartphones und Rädern. Mitte Januar hat das Unternehmen dann angekündigt, ein Dienstfahrrad und -smartphone zur Verfügung zu stellen. »Damit setzt Lieferando nur die geltende Rechtslage um«, wiegelt Geißler ab. Zwei Betriebsräte aus Hessen hatten Rad und Handy eingeklagt, Lieferando hatte den Fall vor das Bundesarbeitsgericht eskaliert und dort verloren. Geißler beschreibt dies als übliche Praxis: »Ohne Druck passiert nichts«. Auch in Köln gab es Klagen und erst ein Besuch der Berufsgenossenschaft habe dafür gesorgt, dass im Ehrenfelder Lieferando-Hub ausreichend Masken für die Belegschaft bereitstehen.

Auch Nils, ein Mitglied des Lieferando Workers Collective, erzählt ähnliches. Mitte Dezember hat er mit rund 40 Kurieren vor der Ehrenfelder Lieferando-Filiale demonstriert, um etwa bessere Winterkleidung zu erhalten: »Wir haben einen Walk-In gemacht, ­daraufhin hat uns Lieferando ernstgenommen.« Aber die gelieferte Kleidung entspreche nicht den Anforderungen an seinen Job, sagt Nils. Die Qualität der Regenschuhe sei zum Beispiel so schlecht, dass er sie nicht benutzen könne, weil er damit ausrutscht. Auch bei den Winterhandschuhen sei es ähnlich gelaufen, ergänzt Benjamin Geißler und lacht: »Mittlerweile haben wir wenigstens die zweitschlechtesten.« Dennoch hat Geißler das Gefühl, dass seine Arbeit als Betriebsrat ernstgenommen werde. »Früher mussten wir alles einklagen, mittlerweile können wir Betriebsvereinbarungen für einzelne Standorte schließen«, sagt er.

Für die Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen bleibt es jedoch schwierig, ihre Forderungen durchzusetzen. So haben sie sich für einen Stundenlohn von 15 Euro eingesetzt, dazu ein 13. Monatsgehalt sowie Zuschläge für Schichten am Wochenende oder Feiertagen gefordert. Das Unternehmen hat ab dem 1. Januar den Stundenlohn jedoch nur auf elf Euro erhöht, und die anderen Forderungen ignoriert. »Es ist schwieriger geworden, die Kuriere bei Lieferando zu organisieren«, sagt Benjamin Geißler. Früher hätten sich die Fahrer*innen an bestimmten Startpunkten getroffen, heute würden die meisten direkt von zu Hause starten. Die meiste Kommunikation läuft über WhatsApp, die Betriebsversammlungen per Videochat — keine guten Aussichten, um das nächste große Ziel, den Tarifvertrag, zu erstreiten.

Dabei sind die Rahmenbedingungen gerade günstig für die Fahrer*innen. »Die Pandemie hat unser Geschäft angekurbelt, wir sind ständig auf der Suche nach Kurieren«, sagt Lieferando-Sprecher Oliver Klug. »Lieferdienste sind momentan ein Arbeitnehmer-Markt.« Die Lohnerhöhung ist ein Ausdruck davon. Inklusive Boni für Kilometer und Lieferungen beträgt der Durchschnittslohn bei Lieferando 13 Euro pro Stunde. Das ist ähnlich viel wie beim direkten Konkurrenten Wolt, aber weniger als etwa bei Flink, der lediglich Lebensmittel ausliefert und dafür zwölf Euro die Stunde plus Boni zahlt. Alex (Name geändert) ist vor ein paar Monaten von einem anderen Lieferdienst zu Flink gewechselt, es ist sein Hauptjob. »Das Arbeitsklima ist viel besser dort«, sagt er. Die Bezahlung sei höher, der Umgang mit den Mitarbeitenden respektvoll. In den Hubs, die zugleich Vorratslager sind, gibt es Tee und Equipment, sowie Lebensmittel zum Mitarbeiterpreis. All dies führt dazu, dass Alex gut von seinem Job leben kann.

Mit solchen Geschichten kann sich Flink gut positionieren. Nachdem der Konkurrent Gorillas im Sommer wegen der Arbeitsbedingungen bestreikt wurde, profiliert sich der pinke Lieferdienst mit einem besseren Image — mit Erfolg. Flink arbeitet mit Rewe zusammen und konnte erst im Dezember 750 Mio. Euro an Kapital einwerben, ohne Gewinn zu machen. Im Moment gibt es dort Geld zu verteilen, aber das kann sich ändern. Die Gründung eines Betriebsrats läuft bereits.