Große Pläne in Müngersdorf

Im »Petershof« entsteht ein klimaneutrales Wohnprojekt mit Kita. Die Stadt vergibt das Grundstück im Erbbaurecht — das soll künftig zur Regel werden

Der Petershof ist ein Vierkanthof im dörflichen Kern von Müngersdorf. Im Moment steht er leer, aber bald soll darausein buntes Wohnprojekt werden. »Mietraum für jeden Geldbeutel«, »sozial, regional und nachhaltig« und »auf vielen Schultern verteilt«: So beschreibt die Baugruppe  »Machbarschaft« auf ihrer Website die Ziele. Mit einem ausgearbeiteten Konzept hat sie eine Fachjury und Kommunalpolitiker überzeugt. Nach Beschluss des Rates im Dezember steht fest, dass sie den Petershof sanieren und neu mit Leben füllen sollen. Und sie können es kaum erwarten, in die Hände zu spucken und loszulegen.

Viele Müngersdorfer kennen den 1896 erbauten Hof als Standort eines Kindergartens, der seit der Nachkriegszeit in einem der inzwischen denkmalgeschützten Gebäude untergebracht war. Auch das städtische Grünflächenamt sowie ein Falkner mit seinen gefiederten Mitbewohnern zählten über die Jahrzehnte zu den Nutzern des Hofes, der seit 2015 schließlich leer stand. Wie es mit dem sanierungsbedürftigen Anwesen weiter gehen sollte, wurde vergleichsweise offen entschieden.

Von den Politikern vor Ort angestoßen sammelten Müngersdorfer Bürger 2018 Ideen für eine Neubelebung. Ein Konzept entstand und die Stadt schrieb den Hof auf dieser Grundlage aus. Die Machbarschaft bewarb sich und setzte sich im vorigen Herbst gegen zwei Mitbewerber, darunter ein kommerzieller Investor, durch. Ihre Idee: Der Petershof soll wieder als Kita genutzt, der Innenhof entsiegelt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verschiedene gemeinschaftliche Wohnformen für etwa 50 Menschen und ein soziokultureller Bereich mit öffentlichen Angeboten und kleinen Läden entstehen. Eine Bäckerei können sie sich beispielsweise vorstellen, ein Sprachcafé, einen kleinen Veranstaltungsraum. Möglichst autofrei soll das Leben auf und um den Hof sein, klimaneutral und mit geringem ökologischen Fußabdruck.

»Damals erschien uns das noch als Utopie«, sagt Hannah Espin, Mitglied der rund zwanzigköpfigen Gruppe, als liege die Ausarbeitung schon lange hinter ihr. Der Zuschlag, in dem sie auch einen Vertrauensvorschuss der Stadt sieht, habe noch einmal eine »ordentliche Portion Enthusiasmus« freigesetzt. Jetzt wird es aber schnell konkret. Die Mitglieder, darunter junge Eltern, Endzwanziger und Mittdreißiger, vereinzelt Ältere, wollen für das Vorhaben bald eine Genossenschaft gründen. Mit der Stadt müssen sie zunächst über ein Erbbaurecht verhandeln. Statt eines Kaufpreises zahlen die Eigentümer dabei einen jährlichen Zins, voraussichtlich 1,5 Prozent des Grundstückswerts. Der Vertrag soll 99 Jahre laufen. Espin hat vor, in eine der Wohnungen einzuziehen. Dass sie damit nicht den Stolz eines Eigenheimbesitzers verspüren wird, stört sie nicht — im Gegenteil. Sie finde es beruhigend, einerseits »für den Rest des Lebens« planen zu können und andererseits nicht alleinverantwortlich zu sein. Sie könne theoretisch aus dem Projekt aussteigen ohne Sorge, es dadurch zu gefährden.

Der Petershof beweist, dass Immobilien nicht von Rendite­erwartungen geprägt sein müssen

Die Vergabe des Petershofs könnte damit ein weiteres der bislang noch spärlichen Beispiele dafür werden, dass neue Quartiere, Häuser und Wohnungen nicht zwangsläufig von den Renditeerwartungen der Investoren geprägt werden müssen. Die Vergabe eines Erbbaurechts statt Verkauf soll bei städtischen Grundstücken künftig ohnehin zur Regel werden. Die Stadtverwaltung hatte eine entsprechende Beschlussvorlage vor einiger Zeit angekündigt.

Die Machbarschaft profitiert zudem von einem zweiten wohnungspolitischen Instrument. Das wichtigste ­Kriterium für die Vergabe des Petershofs war das Konzept für die künftige Nutzung und nicht der höchste gebotene Preis. Auch das sollte für städtische Immobilien schon längst die Regel sein, um für mehr bezahlbare Wohnungen, nachhaltige und sozial gemischte Quartiere zu sorgen. Denn Grundstücke sind knapp und wurden bislang in aller Regel von kapitalstarken Immobilienunternehmen bebaut. Gemeinwohlorientierte Initiativen wie die Machbarschaft können auf dem freien Markt nicht konkurrieren. Um ihnen dennoch eine Chance einzuräumen, gibt es die Konzeptvergabe für städtische Grundstücke.

»Solche Wohnprojekte sind darauf angewiesen«, sagt Horst Hücking, der seit 25 Jahren gemeinwohlorientierte Projekte in NRW berät. Viele Städte hätten das erkannt, inzwischen auch Köln, wenngleich »relativ spät«. Die Stadt als Ganzes profitiere von Akteuren, die nicht nur für die eigenen Bedürfnisse planen. »Die Nutzung durch die Leute, die da wohnen, steht bei dem Bauvorhaben im Vordergrund«, das attestiert er auch der Machbarschaft, die er bei den Verhandlungen und Planungen beraten wird. Zunächst sei das städtische Grundstück langfristig »der Spekulation entzogen«. Mieten würden in solchen Projekten nur erhöht, wenn es wirtschaftlich nötig sei.

Die Genossenschaft als zukünftige Eigentümerin des Petershofs werde sich in ihrer Satzung und durch den Vertrag mit der Stadt verbindlich auf Ziele festlegen, die über die Versorgung der Mitglieder mit Wohnraum hinausgehen. Für Geringverdiener etwa entsteht durch mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen neuer, zeitgemäßer Wohnraum. Durch Gemeinschafts- und Gewerberäume soll das Quartier ringsum profitieren. Und es bleibe von preistreibenden Eigentumswohnungen verschont, sagt Hücking.

Das Viertel ­profitiert von den Gemeinschaftsräumen auf dem Hof

Die Mitglieder der Machbarschaft haben frühzeitig den engen Austausch mit dem Müngersdorfer Bürgerverein gesucht. Dort freut man sich, dass es eine Zukunft für den historischen Hof gibt. »Die Leute sind engagiert, identifizieren sich mit dem Ort und suchen den Kontakt zur Nachbarschaft. Das wird dem Stadtteil gut tun«, sagt Harald Schäfer, Vorsitzender des Bürgervereins. Er beschreibt Alt-Müngersdorf als bodenständiges, gewachsenes Veedel mit heterogener Sozialstruktur. Mit besseren Radrouten und einer Quartiersgarage habe man bereits gemeinsame Interessen gefunden. Schäfer kann sich auch gut vorstellen, dass ein Raum für Vereinstreffen, Familienfeste und kulturelle Veranstaltungen schnell auf das Interesse der Alteingesessenen stoßen könnte. Ein kommerzieller Investor hätte das Denkmal vielleicht schneller und aufwändiger restaurieren können als es der Initiative möglich sein wird. Schäfer ist dennoch froh, dass der Hof nicht für Eigentums­wohnungen genutzt wird: »Teures Wohnen heißt immer auch Abschottung.«

An diesem Ergebnis haben Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft Anteil. Für Berater Horst Hücking ist ihr Zusammenwirken eine notwendige Voraussetzung. In anderen Städten gelängen inzwischen auch Projekte mit mehreren hundert Wohnungen. Köln fehle dagegen noch ein wenig Übung. Für alle Beteiligten, auch für Architekten — die Machbarschaft hat das Büro des Architekten Christian Schaller für ihr Vorhaben begeistern können —, Ingenieure und Finanzberater, gelte, dass diese Form der Immobilienentwicklung gleichzeitig ein Lernprozess sei. Der Peters­hof zeige, dass man auf einem guten Weg sei.

Das gilt offenbar besonders für die Banken. Zwar akzeptiert nicht jede ein Erbbaurecht als Sicherheit für einen Kredit. Die Machbarschaft, die sich auch auf Genossenschaftsanteile und Direktkredite von Privatpersonen stützen will, kann sich aber nicht über fehlende Aufgeschlossenheit der Branche beklagen. Gleich drei Banken hätten bereits zugesagt, das Projekt zu finanzieren, berichtet Hannah Espin, manche auch auf eigene Initiative.

Mehr Info: petershof.org