Jaki im Exil
Es war eine süß-saure Erfahrung, als im Spätherbst vergangenen Jahres endlich auch in Köln die Clubs ihre zuvor vom Lockdown verriegelten Türen öffneten — süß-sauer, da sie kaum offen schon wieder fest verschlossen waren.
Ganze 523 Tage (zwischen März 2020 und August 2021) hatten sich die Tanzenden in NRW zurück gehalten; abgesehen von wenigen Open-Air-Partys (von denen einige illegal organisiert waren). Stattdessen zeigte man sich in der Zwischenzeit kreativ, probierte verschiedene Formate aus: Online-Partys, Streaming-Angebote und Live-Zuhör-Events — letztere fanden unter anderem im Green Room des Stadtgartens unter dem Slogan »Tom-Tom Listening Session« statt. Dann kam der 20. August, und im gesamten Bundesland wurde das faktische Tanzverbot aufgehoben. Im Stadtgarten räumte man die Open-Air-Bühne, und der Tom-Tom Club wanderte runter ins Jaki.
Was folgte waren Partys von und mit frisch geimpften Menschen, die endlich ausgelassen feiern durften. Doch die Ausgelassenheit war von kurzer Dauer. Nach den ersten Durchbrüchen, der Delta-Welle und schließlich der hoch kochenden Omikron-Variante war es am 16. Dezember schon wieder vorbei mit durchgetanzten Nächten. Die Clubs, die nicht eh schon die Tore geschlossen hatten, mussten jetzt nachziehen. Alles vorbei und vergebens?
Im Stadtgarten werkelte man lieber an einer Alternative; »kampflos geschlagen geben« kam nicht in Frage. So entstand das »Jaki im Exil«, der wahrscheinlich einzige winterfeste Open-Air-»Club« in der Domstadt. Ein richtiger Club ist man auch schon aus rechtlichen Gründen nicht; offiziell ist der architektonisch interessante Anbau eine Winterbar. Nur am Wochenende ist man das »Jaki im Exil« — die Musik kommt dann von Club-DJs.
Man münzte kurzerhand die Hütten des stadtbekannten und beliebten Weihnachtsmarkts um, baute sie auseinander, dann wieder zusammen. Sitzgruppen für insgesamt 70 Menschen gibt es nun, dazu noch 30 Stehplätze. Glücklicherweise ging auch das Know-How der Vorgänger-Installation nicht etwa verloren, sondern Corona-Maßnahmen wurden wie auch schon im Green Room umgesetzt. Man musste zum Glück nicht alles nochmal von Beginn an entwickeln. Trotz der eigentlich einfachen Idee, eine Bar für den Musikgenuss ins Außen zu verlegen, ist die Winterbar, nach Informationen der Klubkomm, die einzige ihrer Art in Köln. Außerdem stellt man nochmal klar: »Das Format ist natürlich ein Kompromiss. Die Listening Sessions sind keine Partys, es wird also nicht getanzt. Wir wollten einen sicheren Ort schaffen, wo die Szene sich weiterhin treffen und zusammen Musik hören kann. Das ist uns gelungen«, so Christine Eitel vom Stadtgarten.
Es ist also tatsächlich keine Party-Location; viel mehr möchte man die musikalischen Inhalte des Jaki konservieren und auch im Winter präsentieren: Schwerpunkt auf lokale DJs, Hörerlebnis statt Konfektionsware. Für die nötige Wärme sollen nicht nur die DJ-Sets von DJs wie AMSL sorgen, sondern auch Heizkörper und Decken. Frieren braucht keiner, Eintritt zahlen auch nicht. Klingt zu gut um wahr zu sein? Christine Eitel kann sich bislang über jede Menge Lob seitens der Gäste freuen. Der Ort sei schön geworden und gemütlich, so das Feedback. Mittlerweile erkenne man auch ein gewisses Stammpublikum, führt sie aus.
»Jaki im Exil« ist eine interessante Alternative zum nächtlichen Rave
Dennoch: Objektiv betrachtet freut sich auch ein Stadtgarten über verkaufte Getränke und Abendessen. Neben der Kunst stehen betriebswirtschaftliche Interessen im Fokus. Das ist natürlich nicht weiter problematisch, lässt aber die Befürchtung aufkommen, dass man so schnell wie möglich wieder in den Club runterwandern möchte — und die Winterbar wird dann abermals ein Biergarten. Das wäre jedoch schade, denn das Format »Jaki im Exil« weiß zu begeistern, ist eine interessante Alternative zum nächtlichen Rave und ermöglicht elektronische Musik in einem neuen Rahmen zu genießen. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, sagt Christine Eitel: »Seit Beginn der Pandemie arbeiten und planen wir von Woche zu Woche. Wirklich langfristige Planungen machen für uns aktuell wenig Sinn — wir schauen ob unser Angebot gut angenommen wird und wie wir es optimieren könnten«. Das lässt hoffen. Denn das »Jaki im Exil» beziehungsweise die Winterbar zeigt, dass es sich lohnt, bestimmte Formen wie die Open-Air-Listening-Sessions beizubehalten und zu pflegen; vielleicht sogar losgelöst von der Entwicklung des Corona-Virus.
Mehr Selbstvertrauen wie es der Stadtgarten vermittelt, möchte man indessen auch anderen Locations wünschen, doch Köln scheint auf weitere solche Maßnahmen warten zu müssen. Das Kulturvakuum im Freien ist jedoch nicht nur eine Folge mangelndes Muts und fehlender Energie. Die Verwaltung der Stadt Köln ist leider nicht gerade förderlich mit ihrer oft realtitätsfernen Ordnungspolitik, aber das ist nochmal eine andere Geschichte.
Dienstag bis Donnerstag: ab 17 Uhr, Freitag und Samstag: »JAKI im Exil» ab 19 Uhr, Der Eintritt ist frei