Wo sind all die Räder hin?
Am 25. März waren sie nicht mehr da, die KVB-Räder. Ein paar von ihnen hatten regelmäßig vor meiner Haustür in Mülheim-Nord gestanden, bei Wind und Wetter. Jetzt waren sie weg und an ihrer Stelle standen ein paar E-Scooter und ein E-Bike der Konkurrenz. Eine Push-Meldung am gleichen Tag hat mich versucht, zu infomieren: Wegen »Vandalismus« schreibt Nextbike, der Besitzer der KVB-Räder, müsse man den Betrieb im Rechtsrheinischen einstellen. Ende der Nachricht. Kurz zuvor hatte ein Pressebericht vermutet, dass ein TikTok-Video der Auslöser gewesen sei. Im Netz sorgte das für die übliche Häme gegenüber der »Schäl Sick«, die SPD witterte als Reaktion »Sippenhaft« für das Rechtsrheinische.
»Das war nicht gut kommuniziert«, sagt KVB-Sprecher Stephan Anemüller rund zwei Wochen später. Die Beschädigungen an KVB-Rädern hätten im gesamten Stadtgebiet zugenommen. Am 18. März habe man 200 beschädigte Leihräder registriert, am 21. März 300 weitere. In der Regel sei das Schloss aufgebrochen worden. Daraufhin hat die KVB eine Pressemitteilung versandt. Erst danach habe man gemeinsam mit Nextbike die Entscheidung getroffen, sich aus dem Rechtsrheinischen zurückzuziehen — »aus logistischen Gründen«, wie Anemüller sagt. Für die Techniker*innen von Nextbike sei es aufgrund der vielen stadtweiten Beschädigungen unmöglich geworden, den normalen Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Beschädigungen hat die Maßnahme jedoch nicht gestoppt. Am 29. März erklärte die KVB im Verkehrsausschuss, dass mittlerweile 1500 Räder beschädigt worden seien — die Hälfte der gesamten Flotte. Seitdem ist das Ausleihen nur noch innerhalb des Gürtels möglich.
Mitte April waren von insgesamt 3000 KVB-Rädern gerade einmal 200 im Einsatz
Aber so richtig erklären kann Stephan Anemüller die Beschädigungen an den Rädern auch nicht. Als ein paar Jugendliche beim Aufbrechen von Leihrädern erwischt worden sind, hätten sie auf ein TikTok-Video verwiesen, erzählt er. Darin sei erklärt worden, wie man das Schloss so beschädigt, dass man die KVB-Räder nutzen kann, ohne zu bezahlen. Aber schon kurze Zeit nach der ersten Meldung habe ich auf TikTok kein solches Video gefunden. Mittlerweile sei es gelöscht, sagt Anemüller. Die Polizei Köln wird spezifischer. Man habe von genau einem Video Kenntnis, sagt ein Sprecher. Darin werde in einem Textfeld erklärt, wie man das Schloss aufbricht, dies aber nicht gezeigt. Die Urheber*innen habe man nicht ermitteln können, ebenso wenig verfüge die Polizei über Erkenntnisse, wie stark sich das Video verbreitet habe, so ein Sprecher. Eine zweite Beobachtung Anemüllers, dass die Räder gehäuft in der Nähe von Schulen aufgebrochen würden, konnte die Polizei nicht bestätigen. Die Kölner Politik will im Jugendhilfeausschuss herausfinden, wie es zu den Beschädigungen kommen konnte.
Aber wie verbreitet ist das Phänomen überhaupt? Die KVB spricht von 1500 mutwillig beschädigten Rädern. Bei der Kölner Polizei waren Mitte April 80 Anzeigen über beschädigte Leihräder eingegangen. Jedoch können mehrere beschädigte Räder zu einer Anzeige zusammengefasst sein, auch können diese Anzeigen von unterschiedlichen Anbietern stammen. Zum gleichen Zeitpunkt hatte die Polizei 40 Tatverdächtige ermittelt, überwiegend Jugendliche und junge Menschen — »ab 14 Jahren aufwärts«, wie ein Sprecher sagt. Ist das schon ein Trend? Und wenn ja, sollten davon nicht neben der KVB auch andere Anbieter betroffen sein?
Ein paar E-Mails später bin ich nur wenig schlauer. Egal ob Voi, Bird oder Lime: Die Anbieter von E-Scootern können keinen Anstieg beschädigter Roller feststellen. »Zu robust«, sagt ein Sprecher. Auch Dott, das neben E-Scootern noch E-Bikes anbietet, meldet keine Unregelmäßigkeiten. Die Bahn-Tochter Call-A-Bike sagt: »Leider sind Leihräder insbesondere in Berlin und Köln derzeit vermehrt Ziel von Vandalismus«, wird jedoch nicht konkreter. Der Anbieter Tier, der seit November 2021 Inhaber von Nextbike ist, spricht von »Vandalismus in Bezug auf alle Fahrzeugtypen«, also »E-Scooter, E-Bikes und E-Mopeds«. Konkrete Zahlen oder die Art der Beschädigungen will man auch hier nicht nennen.
Stephan Anemüller ist zuversichtlich, dass die KVB-Räder bald wieder im ganzen Stadtgebiet zur Verfügung stehen. Nextbike arbeite daran, die Schlösser gegen ein neues, sichereres Modell auszutauschen. Damit scheint sich das Unternehmen jedoch Zeit zu lassen. Mitte April waren von insgesamt 3000 KVB-Rädern gerade einmal 200 im Einsatz