Einer der Stars der Cologne Jazzweek: Theo Bleckmann  © Lynne Harty

Präzise Linien

Die Cologne Jazzweek veröffentlicht ihr Festival-Programm für 2022

Die Nachricht ging durch Weltpresse, und das erlebt der altehrwürdige Jazz nicht alle Tage: Der Pianist Jon Batiste gewann fünf Grammys. Der 35-Jährige war der am meisten ausgezeichnete Künstler der Veranstaltung, zwei Jahre zuvor hatte er schon einen Oscar gewonnen. Ohne Übertreibung kann man sagen: Batiste ist der Weltstar des Jazz.

Diese Anerkennung steht auch für den Wandel des Jazz: Jazz ist nicht länger Spartenmusik, kein historischer Moment einer sich herausbildenden us-amerikanischen Identität. Jazz erweist sich als Katalysator, als Plattform, um unterschiedliche Musiken zu verschmelzen, um im Soul und Funk, selbst im Singer/Songwriter-Genre Dynamik reinzubringen — mehr musikalische Fantasie, mehr improvisatorische Freiheit.

Nein, Batiste kommt nicht im Sommer nach Köln, wenn ab dem 13. August die Cologne Jazzweek (CJW) zum zweiten Mail stattfinden wird. Muss er auch nicht. Das Festival-Programm ist stark genug, und  die Etablierung des Festivals (nicht nur) in der Kölner Kulturlandschaft scheint schnell voranzugehen. Das, wofür Batiste steht, gilt auch für die Cologne Jazzweek: Sie präsentiert die Musik als Plattform, die Begegnungen möglich macht und deren Synthesen in aufregende neue Musik münden.

Die werden wir etwa vom ­Saxofonisten Isaiah Collier, vom Londoner Grime-Post-Free-Jazz-Kollektiv Sons of Komet, der Schlag­zeugerin Savannah Harris oder der ­Gitarristin Ava Mendoza hören. Es ist schwer, ihre Musik jeweils einzugrenzen — am besten, man versucht es erst gar nicht. Wenn der Kern des Jazz Impro­visation ist, dann sollte man sie so offen wie möglich verstehen: Mendoza bedient sich beim Blues und der Noise Music, Shabaka ­Huchings Sons of Komet bei britischer Bass-Musik. Alle beherrschen die Sprache der musikalischen Formen so sicher, dass sie nie im oberflächlichem Eklektizismus versacken. Als work in progress wird dieses Formenspiel der Vibrafonist Christopher Dell vorführen, der mit Kölner Musikern das dreistündige »Arbeitende Kon­­zert« realisiert. Geerdet wird dieser Utopismus durch die Auftritte alte Helden wie Helmut »Joe« Sachse, Anthony Braxton oder Dieter Manderscheid, die den Jazz-Modernismus der 1970er und 80er Jahre repräsentieren. Mit Theo Bleckmann ist auf der Jazzweek ein Sänger dabei, der weit über den Jazz hinaus strahlt.


Es ist schwer, diese Musik einzugrenzen — am besten, man ­versucht es erst gar nicht

Das Kuratorenteam um Janning Trumann — Thomas Gläßer, Rebekka Ziegler, Friederike Darius und neu im Team: Nils Wogram — führt damit die letztes Jahr schon angelegten Programmlinien fort und definiert sie noch präziser. Neue Orte werden dabei sein: das Filmhaus, das Urania Theater in Ehrenfeld, die Sartori Säle. Wie gehabt: der Stadtgarten als Festival-Zentrum und die Achse nach Ehrenfeld zum Loft, Club Bahnhof Ehrenfeld und Artheater. Als Höhepunkt und Abschluss: ein Spektakel auf dem Ebertplatz für 80 Musikerinnen und Musiker.

Der Anspruch bleibt: ein internationales Festival unter starker Kölner Beteiligung. Der Wermutstropfen: Auch dieses Jahr wird die CJW nicht auf der Schäl Sick gastieren. Dafür wird es erstmals ­Gesprächsformate geben, das ­Festival will sich explizit kulturpolitisch positionieren. Auf ­Panels soll diskutiert werden: Wie ent­wickelt sich die Kölner Szene? ­Welche Rolle spielt der Jazz in der Stadtgesellschaft?

Ein Selbstläufer? So sieht es zumindest aus: Die Stadt unterstützt das Festival mit 180000 Euro (30000 mehr als letztes Jahr), hinzukommen eine Landesförderung von 35000 Euro, außerdem Bundesmittel und Unterstützung vom Musikfonds e.V., der WDR wird einige Konzerte coproduzieren. Das ergibt ein Gesamtbudget von gut 300000 Euro — aber ein Selbstläufer ist es dennoch nicht. Im Prinzip muss Trumann für jedes weitere Festival erneut mit Stadt, Land und Bund verhandeln, die institutionelle Förderung (die für die Mitarbeiter im Planungsstab etwa eine Festanstellung bedeuten würde) gibt es noch nicht.

Die Chancen dafür stehen mittelfristig nicht schlecht. Dennoch befindet sich die CJW im Zwiespalt, einerseits muskulös und selbstbewusst auftreten zu können, andererseits mit einer gewissen Planungsunsicherheit konfrontiert zu sein. Kein Drama, aber die kulturpolitischen Diskussionen in den nächsten Jahren könnten spannend werden.

Cologne Jazzweek, 13.–20. August, Programm, Infos und Vorverkauf ab dem 29.4. unter jazzweek.de