»Fuchs im Bau« von Arman T. Riahi
»Der sieht jetzt schon aus wie ein Opfer!« Hannes Fuchs tritt einen schwierigen Job an: Kunstlehrer in einer Gefängnisschule. Seine erfahrene Kollegin Berger hat die Jugendlichen im Griff, ein bisschen wie domptierte Raubtiere — mit Belohnen, Unterhalten, Frotzeln, Appell ans Gemeinschaftsgefühl. Die Durchsetzungskraft des Neuen muss sich erst noch erweisen. Fuchs umgibt ein Ensemble sperriger Charaktere: Die erfahrene Berger betrachtet den Kunstunterricht als wertvollen Freiraum, dem Justizaufseher erscheint dieser als überflüssig, der Anstaltsleiter muss den explosiven Laden unter Kontrolle halten. Dann gibt es noch die freundliche junge Sozialarbeiterin und das Kollektiv der Jugendlichen — mal hart, mal herzlich.
Regisseur und Drehbuchautor Arman Riahi interessiert vor allem die Atmosphäre, das Ineinander der einzelnen Gewerke im System des Vollzugs. Dabei greift er auf jahrelange Recherchen zurück. So beobachtete er einen Sonderpädagogen, der 25 Jahre lang eine Gefängnisschule geleitet hat, dabei, wie er um die Aufmerksamkeit der Kinder ringt, die kostbare persönlichkeitsprägende Jahre zwischen Mauern verbringen müssen. Gedreht wurde im leerstehenden Trakt der Justizanstalt Korneuburg. Der Enge der Institution ist eine bewegliche, fast schwebende Kamera entgegengesetzt, die der Dynamik von achtzehn Jugendlichen folgen kann — so sind ganze Szenen ohne Schnitt.
Schon 2011, in seinem Dokumentarfilm »Schwarzkopf«, beschäftigte Riahi die Frage, warum so viele Wiener Jugendliche mit bosnischen, serbischen, türkischen oder kurdischen Wurzeln abrutschen. Die Väter sind oft seit Jahren abwesend, gewalttätig oder tot, und die Mütter reiben sich auf, um die Kinder durchzubringen. Die dumpfe Knastroutine scheint wenig hilfreich. Der Spielfilm weist keine institutionelle Schuld zu, zeigt aber eine durch Unterfinanzierung und Personalmangel frustrierte Justizwache.
Einzig der Kunstunterricht bietet Raum für Realitätsflucht, Spiel und Chaos, auch für absurden bis schwarzen Humor. Herausgekommen ist ein wunderbarer, bewegender Film über ein nur selten ausgeleuchtetes Milieu. Zum Schluss ist nicht alles gut, aber doch für jeden irgendetwas besser. Und Fuchs geht wieder zur Bandprobe.
A 2021, R: Arman T. Riahi, D: Aleksandar Petrovic, Maria Hofstätter, Andreas Lust, 102 Min.