Mehr als Rüstungen und Gürtelschnallen
Im Frühjahr war die Aufregung groß in Kölner Kulturkreisen: Das NS-Dokumentationszentrum sollte vorerst keine neue Leitung bekommen. Zunächst müsse man das inhaltliche Konzept für die »Historische Mitte« fertigstellen, sagte Anfang des Jahres Kulturdezernent Stefan Charles. Im Zusammenhang mit dem Groß-Bauprojekt auf dem Roncalliplatz sollen die historischen Museen besser miteinander verknüpft und nach möglichen »Synergien« gesucht werden. So hatte es der Rat der Stadt auf Antrag des Bündnisses aus Grünen, CDU und Volt im Dezember 2021 beschlossen — und zu den historischen Museen neben dem Römisch-Germanischen, dem Stadtmuseum und der noch im Bau befindlichen Miqua auch das NS-Dok gezählt. Wollte man die Institution, die als Gedenkstätte mit Info-Stelle zu Rechtsextremismus und Antisemitismus auch von großer stadthistorischer und politischer Bedeutung ist, zu einer kurzen Episode der neuen Historischen Mitte degradieren?
Im Mai erklärte Kulturdezernent Stefan Charles im Rat, dass die Leitungsstelle Ende Mai ausgeschrieben und der Besetzungsprozess »mit hohem Anspruch an Sorgfalt und Qualität geführt« werde. War also alles nur ein »Sturm im Wasserglas«, entfacht von »halb informierten Journalisten«, wie Ralph Elster (CDU) im Rat sagte? Auch Brigitta von Bülow (Grüne) beteuerte, die Eigenständigkeit des NS-Dok habe nie jemand infrage gestellt.
Und doch will man im Ratsbündnis die historischen Museen der Stadt aufmöbeln. »Die Häuser existieren nebeneinander her, aber ohne Gesamtplan«, so Ralph Elster (CDU). Köln sei das »Manhattan des Mittelalters«. Die zwölf romanischen Kirchen, der Dom, dazu der römische Kaiserpalast und das Dionysos-Mosaik, all das zeuge von der herausragenden Geschichte Kölns, die aber von den Museen gar nicht zusammenhängend erzählt werde. »Die tausend römischen Gürtelschnallen im RGM und all die Rüstungen im Stadtmuseum mögen von hohem wissenschaftlichen Wert sein. Aber wer einmal im Leben aus Amerika nach Köln kommt, muss vielleicht andere Dinge sehen, um die Bedeutung Kölns zu erfahren.« Die Historische Mitte solle diesen Bogen schlagen und »Schnittstellen« bilden zu wichtigen historischen Orten wie den romanischen Kirchen, dem Prätorium und eben auch dem am Appellhofplatz gelegenen EL-DE-Haus, dem früheren Gestapo-Gefängnis, in dem sich das NS-Dok befindet. Elster beteuert, dass alle Museen weiterhin unabhängig geführt werden sollen. Doch eine übergeordnete, koordinierende Direktion schließt er nicht aus. »Die Oberbürgermeisterin und der Kulturdezernent müssen nun eine Vorlage liefern.«
Elsters Bündnispartnerin Brigitta von Bülow sagt hingegen: »Die Gesamtorganisation neu aufzusetzen, war nie unsere Intention.« Initiativen in diese Richtung müssten ohnehin über den Kulturausschuss laufen und seien »ohne eine vertiefte Fachdiskussion und einen intensiven Diskurs mit den Museumsdirektoren« nicht möglich. Beim Kulturmarketing sieht sie jedoch wie die CDU noch »Luft nach oben«. Die Grünen hatten das Vorschlagsrecht für den Beigeordneten für Kultur 2021 der CDU überlassen. Stefan Charles, auf den die Wahl fiel, sprach Anfang Mai im Rat von der Historischen Mitte als Chance, »einen herausragenden historischen Kulturstandort zu schaffen, der in seiner Dichte in Europa einzigartig ist«. Köln stecke, wie die historischen Museen in ganz Europa, in einem »radikalen Transformationsprozess«. Welcher das sei, führte Charles nicht aus. Den Raum für Spekulationen zur Zukunft der Kölner Häuser lässt er weit offen.