»Wie kann ich sein als Mensch und als Frau?«
Frau Krebitz, es ist interessant, wie unterschiedlich Ihre Filme sind. Welche Rolle spielt der Zufall in Ihrer Arbeit?
Ich finde es nicht so einfach, die Dinge einfach laufen zu lassen. Das haben mir die Franzosen voraus. Besonders wenn man mit Tieren dreht, ist es auch keine gute Idee. Andererseits ist alles sehr individuell: Wie jemand lacht oder schreit — das kann ich ja niemanden vorschreiben. Insofern ist es immer schwer zu beantworten, was Zufall ist und was geplant.
Ich habe Sophie Rois noch nie so gesehen wie in diesem Film. Sie haben sie im besten Sinn an die Kandare genommen.
Die kann man natürlich gar nicht an die Kandare nehmen (lacht). Sie ist ja sehr inhaltlich orientiert, aber kam zum Kameratest sehr offen und wollte wissen, was das Drehbuch in ihr auslöst und sich dabei zuschauen lassen. Wir haben alle Szenen vorher mit dem Kameramann festgelegt und sehr viel geprobt. Aber natürlich machen die Schauspieler dann viel selber, was nicht geplant ist. Man kann übrigens Sophie Rois nicht mehr erzählen, wie sie spielen soll — das weiß sie selber. Aber man kann ein Feedback geben, und sie kann mit diesem Feedback arbeiten. Insofern war die Zusammenarbeit sehr auf Augenhöhe.
Welchen Unterschied macht es, dass Sie selber eine Schauspielerin sind?
Ich denke manchmal, dass die Behauptung, dass man dann weiß, wie sich Schauspieler fühlen, und sie besser versteht, ein Trugschluss ist. Als Regisseur von den Schauspielern zu erwarten, dass sie das Handwerk können und zu sagen: »Dann mach doch mal das, was ihr gelernt habt«, diese Distanz kann sehr wohltuend sein. Immer im Kopf des anderen zu stecken, ist mir selber zu anstrengend.
Wie wichtig war es, dass dieser Film zum Teil in Frankreich spielt?
Das war nicht abzuwenden. Die visuelle Sprache und Zitate des Films bewegen sich durch die innere Bibliothek von Liebesfilmen, die wir in Kopf und Herz angesammelt haben. Die stammen in meinem Fall vor allem aus den 60er und 70er Jahren und aus Frankreich — ein klein bisschen auch aus dem italienischen Film. Wir haben uns auf alle möglichen tollen Liebesmomente in diesem Film bezogen. Ich habe das aus einem bestimmten Grund gemacht: weil ich ein ungleiches Liebespaar habe, und das Publikum ein bisschen mit der Trickkiste der Romantik bezaubern will. Durch diese Tricks macht man es leichter, dass das Publikum ihnen auch das Beste wünscht.
Was sind das für Filme?
Filme, die ich schon als Heranwachsende mochte, und die auch meine Mutter immer gerne angeschaut hat, Zigarette rauchend alleine abends. Sie wurde dabei selber immer glamouröser in ihrem Wohnzimmer. Das waren Filme, in denen Frauen beobachtet wurden, die den Herd verlassen haben und sich auf den Weg in die Welt gemacht haben.Diese Filme haben wilde Fantasien, was die Frauen wohl alles anstellen. Das ging von Luis Buñuels »Belle de Jour«, in dem Catherine Deneuve als Hausfrau heimlich in einem Bordell arbeitet, zu »Mademoiselle« mit Jeanne Moreau als Lehrerin, die in ihrer Freizeit heimlich in den Wald geht und muskulöse Waldarbeiter beobachtet. Filme über Frauen, die Damen bleiben können, obwohl sie ihrem Begehren nachgehen. Ich habe das Gefühl, dass man Frauen in einem Alter jenseits des biologischen Fortpflanzungsauftrags so eine Sexualität abspricht und auch generell das Begehren. Das ist etwas, das man nicht sehen will. Wenn es überhaupt vorkommt. Ich will zeigen, dass es etwas Schönes ist, und glamourös aussehen kann.
Sie haben erneut mit Lilith Stangenberg zusammengearbeitet ...
Für mich haben mein letzter Film »Wild« und dieser, sehr viel miteinander zu tun, auch wenn sie so unterschiedlich wirken. Natürlich ist »A E I O U« formal total anders. Dieser Film ist viel offener, hat viel mehr Möglichkeiten. Es spielt mit der Komödie, spielt mit Tonlagen und hat trotzdem ernste Momente. Aber es geht für die Protagonistin in beiden Filmen um dieselbe Frage, die auf verschiedene Art ausgelebt wird: Was bekomme ich zurück in einer Beziehung? Was rufe ich in dem anderen hervor? Wie kann ich sein als Mensch und als Frau?