Hidden Champignons
Was mit einer kleinen Pilzfarm in einem leer stehenden Autohaus in Ehrenfeld begann, soll nun wachsen. Die Gründer von Pilzling arbeiten in einem Gewölbe-Keller im Eigelsteinviertel an der nächsten Phase der noch jungen Geschichte ihres Unternehmens. Kräuterseitlinge, Austernpilze, Shiitake: 500 bis 700 Kilogramm Pilze pro Woche peilt das Start-up an. »Verglichen mit dem Markt in Ländern wie China ist das Potenzial für Pilze in Deutschland riesig«, sagt Trevor Weiss, einer der Gründer. 740 Quadratmeter auf drei Etagen, zwei davon unterirdisch, stehen ihnen zur Verfügung. Ein Crowdfunding, Stipendien und eine entgegenkommende Vermieterin ermöglichen ihnen das Wachstum. Zuletzt wurden sie mit dem »Hans Imhoff Startup-Preis« ausgezeichnet.
Im Ehrenfelder Wandelwerk, einem von Startups, Vereinen und Aktivisten gemeinschaftlich genutzten ehemaligen Autohaus, konnten sie bereits zeigen, dass ihre Idee grundsätzlich funktioniert. Nun schaffen sie auf 100 Quadratmetern Platz für die Farm. In den anderen Räumen soll das Substrat geimpft (so der Ausdruck für das Einbringen der Pilzsporen), die fertigen Produkte gelagert und verarbeitet werden. Ein Jahr geben sie sich, bis sie die volle Kapazität erreicht haben wollen. Die drei Gründer sind alle um die 30 Jahre alt. Das Unternehmen Pilzling ist ihr erster Versuch in der Selbständigkeit. Die Materie fasziniert sie, nicht nur weil Pilze eine Zwischenstellung im Pflanzen- und Tierreich einnehmen. Der Herstellungsprozess lasse sich anhand weniger Parameter ziemlich genau kontrollieren, sagen sie. Licht, Sauerstoff, CO2-Gehalt und Luftfeuchtigkeit beeinflussen das Wachstum. Ihre Pilze wachsen auf Substrat, das aus Abfall hergestellt wird. Kaffeesatz oder Biertreber, der in Brauereien anfällt, eignen sich gut. Die Wege zwischen Zulieferung, Herstellung, Verkauf und Konsum sind kurz. Dass die Pilze, die das Substrat erst fadenartig durchwachsen, bevor sie sichtbare Fruchtkörper bilden, in der Natur eine Verbindung zwischen den Lebewesen herstellen, ist auch zur Metapher für ihr Geschäft geworden.
Urbane Landwirtschaft mit kleinen Kreisläufen: Die Nähe zu den Abfällen, aber auch das Netzwerk, das Interesse ihrer Kunden an der Produktion seien wichtig. »Wir wollen die Menschen in Kontakt mit ihren Lebensmitteln bringen«, sagt Weiss. Offenbar funktioniert das. Zu den großen Abnehmern gehörten Restaurants wie der Stadtgarten, das Brauhaus Johann Schäfer, Tigermilch im Belgischen Viertel und der Biergarten Olympia zwischen Nippes und Ehrenfeld. Die nachgefragten Mengen hätten sie oft nicht bedienen können. Für sie ist klar: Dem Kreislauf gehört die Zukunft.
Ihre Pilze wachsen auf Substrat, das aus Abfall hergestellt wird, Kaffeesatz eignet sich gut
Das 2018 gegründete Startup Foodforecast will den Alltag mithilfe Künstlicher Intelligenz erleichtern — zumindest für die Angestellten in den Bäckereien einer Kölner Kette. Ein Algorithmus soll ihnen bei der allabendlichen Bestellung für den nächsten Tag helfen. Dafür werden die Daten des Kassensystems mit Daten wie Wetterlage, Feiertagen und anderen Erfahrungswerten kombiniert. »Die KI erkennt eigenständig Muster«, sagt Sophie Knipp, im Start-up für das Marketing zuständig. Bei ungemütlichem Wetter kaufen die Kunden Schokotorte, bei schönem Wetter Baguettes zum Grillen. Ein plötzlicher Rückgang des Absatzes deutet auf eine Baustelle in der Nähe hin. Wie genau sich das in der Filiale auswirkt, lernt die KI selbst dazu. Nach der Überzeugung von Gründer Justus Lauten profitieren die Kunden, die Unternehmen und die Umwelt. In Bäckereien werde zu viel Ware weggeworfen. Foodforecast könne die Quote reduzieren helfen: 18 Prozent weniger nicht verkaufte Ware und vier Prozent mehr Umsatz zeigten, dass die Bestellungen passgenauer ausfallen. Bis Ende des Jahres sollen 500 Bäckerei-Filialen angeschlossen sein. Für die Beschäftigten heißt das: eine lästige Aufgabe weniger. Die KI bereitet die Bestellung vor.
Ebenfalls im Lebensmittelbereich hat Katharina Schwartz eine Marktlücke aufgetan. Anfang Mai 2021 lieferte ihr Unternehmen Frischepost zum ersten Mal Gemüse, Obst und andere Erzeugnisse von regionalen Betrieben. »Ein Online-Hofladen mit Lieferdienst«, so beschreibt sie die Idee. Rund 1200 Kunden zählt das junge Unternehmen. Zu den besonders wichtigen gehören einige Kitas und Schulen, aber auch Büros, Familien und Einzelkunden. Ihr Kölner Startup ist Franchise-Nehmer. Die Idee stammt aus Hamburg, ebenso der Name und die IT. Die Kontakte zu den Landwirten in der Region hat Schwartz mitgebracht. Sie hat vorher viele Jahre die »Marktschwärmerei« in Ehrenfeld organisiert, wo Mitglieder sich die online bestellten Waren einmal in der Woche an einem zentralen Ort abholen konnten. Die Frischepost ist flexibler und liefert nach Hause. Für die Landwirte und Erzeuger hat das den großen Vorteil, die genaue Menge der benötigten Waren zu kennen, anders als auf Marktständen. Die Ware landet am Morgen der Lieferung frisch geerntet im Kölner Lager. 80 Prozent der Ware sei bio-zertifiziert.
»Wir arbeiten mit einer jungen Generation von Landwirten zusammen, die es wirklich besser machen wollen«, sagt Schwartz. Ihr Anliegen sei, den Familienbetrieben aus der Region einen Absatzmarkt in der Stadt zu schaffen. Sie besucht die Betriebe regelmäßig. Im Schweinestall ihres Lieferanten rieche es nach Lavendel und Teebaumöl. Die Kartoffelbauern verfolgen über jährliche
Bodenproben, wie sich die Humus-Schicht entwickelt. Schwartz ist sicher, dass die Nachfrage da ist. Nachhaltige Produkte und Online-Handel seien langfristige Trends. Und das Team bestehe aus »Überzeugungstätern«, denen gesunde und nachhaltige Ernährung eine Herzensangelegenheit sei. »Mittags essen wir zusammen an einem großen Tisch das, was am Ende doch übrig geblieben ist«, erzählt Schwartz.