Das Glücksrad
Mit »Drive My Car« fand Ende vergangenen Jahres endlich ein Film von Hamaguchi Ryûsuke seinen Weg in die deutschen Kinos. Auf einer Kurzgeschichte des auch in Deutschland beliebten Autors Murakami Haruki basierte jener Film, und auch beim Vorgänger »Das Glücksrad«, der diesen Monat startet, meint man, die Verfilmung einer literarischen Vorlage zu sehen. Doch die Geschichten, die Hamaguchi hier erzählt, stammen allesamt aus seiner Feder, fügen sich aber auf geradezu idealtypische Weise zu einem Portmanteau-Film. Um schicksalhafte Begegnungen geht es in allen drei Episoden, um Zufälle, mehr oder weniger glückliche Fügungen und um die Liebe, natürlich.
In der ersten Episode erzählt Tsugumi ihrer Freundin Meiko im Taxi von einem Date mit dem wunderbaren Kazu. In diesem erkennt Meiko bald ihren Ex-Freund, der sie verlassen hat, nachdem sie ihn betrogen hatte. Ob sie ihn noch liebt, fragt sich Meiko — und versucht, ihn zu verführen.
Um Verführung geht es auch in der zweiten Episode: Sasaki bittet die verheiratete Nao, sich an Literaturprofessor Segawa heranzumachen, der Sasaki hat durchfallen lassen. Doch die Begegnung zwischen Nao und Segawa verläuft anders als geplant. Aus der gescheiterten Verführung wird dennoch ein hocherotischer Moment, auch wenn nur vorgelesen wird.
Die letzte Episode beginnt mit einer zufälligen Begegnung auf einer Rolltreppe: Natsuko meint in Aya eine alte Klassenkameradin zu erkennen, mit der sie einst eine kurze, intensive Beziehung hatte. Auch wenn sich schnell herausstellt, dass eine Verwechslung vorliegt, fügen sich die beiden Frauen in ihre Rollen und werden für einen Moment zu innig Vertrauten.
Auch wenn die drei Episoden inhaltlich vollkommen unabhängig funktionieren, lassen sich mit der Zeit thematische Verknüpfungen und Variationen entdecken, ein Spiel mit Dopplungen und Verwechslungen. Leicht und redselig wirken die Geschichten, die in meist starren, sehr langen Einstellungen betont unaufgeregt gefilmt sind; doch unter der Oberfläche offenbaren sich bald auch abgründigere Emotionen, erzählt Hamaguchi von Verlust, Trennungen und Eifersucht, vom Gefühl, sein Leben verschwendet zu haben und irgendwann falsch abgebogen zu sein. In seiner Zufälligkeit bleibt das Glücksrad des Lebens eben nicht immer auf einem Gewinn stehen.
(Guzen to sozo) J 2021, R: Hamaguchi Ryûsuke, D: Furukawa Kotone, Nakajima Ayumu, Hyunri, Shibukawa Kiyohiko, 121 Min. Start: 1.9.