Kunst neu archivieren
Wie können Sie Ihre Arbeit am Museum Ludwig weiterentwickeln?
Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, mit der Sammlung und dem Team des Museum Ludwig zu arbeiten. Viele ukrainische Künstler*innen der Sammlung wurden lange Zeit in Ausstellungsprojekten und der Datenbank als Russ*innen dargestellt. Jetzt ist es für mich wichtig, mit der Datenbank der Sammlung zu arbeiten, um die Namen, die Schreibweise des Geburtsortes und die nationale Identität der ukrainischen Künstler*innen zu korrigieren.
Wie haben Sie die Stadt bisher kennengelernt?
Für mich war die Ausstellung »I MISS YOU — Über das Vermissen, Zurückgeben und Erinnern« im Rautenstrauch- Joest-Museum sehr interessant. Natürlich betrachte ich sie aus meiner ukrainischen Perspektive und den Problemen mit der Restitution von Objekten, die während des 20. und 21. Jahrhundert aus unseren Sammlungen geraubt wurden. Aber auch ohne diesen Blickwinkel hat mir die Poesie der Ausstellung sehr gefallen.
Was möchten Sie mit ihrer Forschung vermitteln?
Meine Hauptaufgabe hier ist es, eine ukrainische Perspektive einzubringen, was in erster Linie bedeutet, der Geschichte und den Werken ukrainischer Künstler*innen aus der Sammlung des Museum Ludwig mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sie von dem Label der russischen Avantgarde zu trennen. Zu diesem Zeitpunkt geben die meisten meiner ukrainischen Kolleg*innen ihr Bestes, um das ukrainische Erbe zu schützen. Einige von ihnen kämpfen buchstäblich dafür. In der Museumsarbeit geht es auch ohne Krieg immer darum, Erinnerungen zu bewahren und nach einer neuen Sprache zu suchen, um sie zu beschreiben. Jetzt müssen wir alle neue Begriffe für einen großen Abschnitt der europäischen Geschichte finden. Ich bin froh, dass ich an diesem Dialog teilnehmen kann.
Können Sie sich vorstellen, auch über nächstes Jahr hinaus in Köln zu wirken? Was sind Ihre Zukunftspläne?
Alles ändert sich zu schnell, um dieses Bild zu konkretisieren. Ich hoffe, dass ich die Möglichkeit haben werde, meine eigene Forschung fortzusetzen und die Verbindung zwischen ukrainischen und deutschen Museumsmitarbeiter*innen zu stärken.
Yulia Berdiiarova
Nach der Invasion Russlands ist die ukrainische Kuratorin über Lwiw, Warschau und Berlin nach Köln geflüchtet. Hier wurde sie nun für ein Jahr am Museum Ludwig angestellt. Die 28-jährige Kunsthistorikerin hatte zuvor am Odesa Fine Arts Museum und am Mystetskyi Arsenal in Kyiv gearbeitet. Für das Museum Ludwig organisierte sie ein Ferienprogramm für geflüchtete ukrainische Kinder und deren Familien und forscht über die ukrainischen Moderne.